Rezension von Marius (2007):
Die Zuflucht ist der erste Teil der zweiteiligen Kampagne Der Weiße Berg. Das Abenteuer führt die Helden in das andergastische Dorf Andrafall, in dem ein ritterliches Turnier abgehalten wir. Während des Turniers kommt es jedoch zu einigen Ereignissen, die schließlich in einer Verfolgungsjagd durch die nahe gelegene Wildnis münden.
Die folgenden Kriterien sind dem Abenteuerwettbewerb Gänsekiel & Tastenschlag entnommen. Pro Kategorie gibt es jeweils 1 bis 5 Punkte, je mehr Punkte desto besser.
Abenteuerplot / Logik / Dramaturgie / Spannung:
Das Abenteuer weiß inhaltlich zu überzeugen. Der Plot ist überzeugend und ohne größere logische Fehler. Die vielen kleinen Wettbewerbe und ein kleinerer Nebenplot sorgen für Stimmung, bis im mittleren Teil schließlich der Hauptplot beginnt und die Spannung zum Ende hin rasant ansteigt. Die Charaktere sind überzeugend beschrieben und bieten genügend Feind- oder Freundschaften. Die Idee der Kurzbeschreibungen weiß zu überzeugen (für viele Charaktere wurden Klischee-Rollen vergeben, z. B. „die Landplage“ oder „der kleine dicke Ritter“).
Wäre dies ein normales Abenteuer hätte es in diesem Bereich sicherlich die Höchstnote verdient. Allerdings ist Die Zuflucht explizit ein Einsteigerabenteuer und muss daher doch negative Kritik vertragen.
Die Erklärung, weswegen die Helden gemeinsam unterwegs sind, ist recht dünn geraten. Es fehlt mir ein Ereignis, das die Gruppe gleich zu Beginn ein wenig zusammenschweißt. In Der Alchemyst ist dies besser gelöst. Weiterhin ist das Abenteuer recht komplex. Zwar ist der eigentliche Plot recht überschaubar, aber gerade während des Turniers und damit in den Abenteueranfängen besitzen die Spieler eine große Handlungsvielfalt, die im Text nur unzureichend abgedeckt ist. Häufig fällt das Wort „Improvisieren“, das ich in Einsteigerabenteuer eigentlich nicht gerne lese. Das Innere der Gebäude ist z. B. gar nicht beschreiben und falls die Helden das Gasthaus betreten sollten, fällt dem Autor dazu nur ein: „Stellen Sie sich ein Gasthaus in der tiefsten andergaster Provinz vor.“ Auch die Anzahl der beschriebenen NSC ist massiv. Zwar verweist der Autor häufig darauf, dass nicht alle verwendet werden müssen, die Einarbeitung wird durch sie aber in jedem Fall erhöht.
3 Punkte
Aventurische Stimmigkeit:
Andergast wurde u. a. extra als Einsteigerregion ausgewählt, weil es sich etwas weniger stark von der uns bekannten Welt unterscheidet, als der Rest Aventuriens. Es ist daher naturgemäß etwas schwerer hier ein aventurisches Flair aufkommen zu lassen. Dennoch greift der Autor auf viele aventurientypische Charaktere, Tiere und Pflanzen zurück und schafft es das Abenteuer gut in Aventurien einzubetten. Lediglich der Hintergrund zu Burg Dragenfels scheint mir für aventurische Verhältnisse etwas überzogen.
4 Punkte
Sprach- und Schreibstil / Lesespaß / Aufmachung:
Der Schreibstil ist nicht unangenehm aufgefallen. Insbesondere in den Hilfstexten für Einsteiger ist er oft betont locker und witzig gehalten. Während der Verfolgungsjagd im mittleren Teil hingegen, gelingt es dem Autor gut eine angespannte Atmosphäre zu vermitteln, die so sicherlich gut auf die Spieler übertragen werden kann.
Das Abenteuer enthält 56 mit kleiner Schrift dichtbedruckte Seiten. Auf Seitenränder wurde größtenteils verzichtet. Das mag für das Preis-/Leistungsverhältnis gut sein, dem Lesespaß ist das jedoch nicht förderlich. Ferner enthält insbesondere das Turnierkapitel überzogen viele Boxen mit Randbemerkungen, die teilweise seitenlang sind. Das führt zu der Absurdität, dass man auf Seite 27 eine Box in einer Box findet.
Das Cover stimmt gut auf das Ritterturnier ein. Die Zeichnungen im Abenteuer sind durchschnittlich gelungen und lassen ein aventurisches Flair vermissen. In dieser Form hätten die Bilder auch in jedem anderen x-beliebigen Rollenspiel verwendet werden können.
2 Punkte
Anwendung der DSA4-Regeln:
Ein Einsteigerabenteuer hat auch die Aufgabe die Spieler und den Meister an das Regelwerk von DSA heranzuführen. Dies gelingt in Die Zuflucht äußerst zwiespältig. Positiv sind die Regelkästen zu vermerken, die zu jedem der einzelnen Wettbewerbe vorhanden sind. Hier sind die für den Wettbewerb jeweils relevanten Regeln noch einmal kurz und knapp zusammengefasst. Für den Bogenwettbewerb werden z. B. die Erschwernisse für alle denkbaren Fernwaffen berechnet und angegeben, statt einfach auf die Entfernung zum Ziel zu verweisen und den Meister selber rechnen zu lassen. Eine wirklich gute Idee.
Äußerst negativ fällt jedoch auf, dass es der Autor nicht geschafft hat, auf die Grundregeln zu beschränken und an mehreren Stellen Sonderregeln einführt und mit oder ohne Begründung von den Grundregeln abweicht. Das reicht von Kleinigkeiten wie der SF Kulturkunde, die plötzlich automatische Erfolge garantiert, während Helden ohne diese SF würfeln müssen (eigentlich sollten lediglich Erschwernisse reduziert werden), bis hin zum Fernkampf, in dem eine gewürfelte eins plötzlich immer als Volltreffer zu werten ist (eine Regelung zur Eins im Fernkampf ist in den Basisregeln gar nicht vorhanden und wird in MBK auch anders interpretiert). Weitere Beispiele sind:
- Nichtbeachtung der Regeln zum Sturzschaden
- Einführung eines Pseudotalents für den Baumstammweitwurf (hätte es eine KK-Probe nicht auch getan?)
- Ableiten der Talente Schwerter und Zweihand-Schwerter auf andere Talente als im Regelwerk angegeben, ferner mit abweichenden Abzügen auf AT/PA
- Beim Messerwerfen entfällt der +2 Aufschlag für Schnellwürfe mit der SF Schnellziehen
Den Höhepunkt bietet jedoch das Wettrennen, dessen Regelteil die folgenden Worte enthält: „Die folgenden Regeln weichen von den üblichen Regeln [...] ab. Wenn es Ihnen lieber ist, können Sie allerdings auch die etwas aufwendigeren Standard-Regeln benutzen.“ Das klingt nach einer Bankrotterklärung für das DSA4-Regelwerk.
2 Punkte
Fazit:
Das Abenteuer wäre als Nicht-Einsteigerabenteuer um Längen besser weggekommen. Die Ansprüche an ein Einsteigerabenteuer werden nur knapp erfüllt und im Vergleich zu Der Alchemyst ist es weit abgeschlagen.
Insgesamt gerade noch 3 Punkte