Rezension von Marc Völker (2004):
Im Jahr 1990 erschien mit Thorwal - Die Seefahrt des Schwarzen Auges die erste "echte" DSA-Regionalbeschreibung. 14 Jahre später knüpft Fanpro an diesen Meilenstein in der DSA-Geschichte an und bringt mit leicht verändertem Schwerpunkt unter dem Titel Unter dem Westwind die Nachfolgepublikation auf den Markt. Während sich die ursprüngliche Box mit Thorwal und den Regeln für Seefahrt befasste, behandelt die "neue Thorwal Box" neben Thorwal selbst noch die Regionen des Gjalskerland und der streitenden Königreiche Nostria und Andergast (vielleicht heißt es auch "Andergast und Nostria" - allein diese Frage ist vermutlich Grund genug für einen weiteren Krieg). Im Gegenzug ist die Thematik der Seefahrt größtenteils weggefallen und soll zu einem späteren Zeitpunkt in einer separaten Publikation (Meere und Seefahrt) aufgegriffen werden.
"Thorwal, Stadt der Freien" lautete der erste Satz der legendären Nordlandtrilogie, der sich Anfang der 90er Jahre unauslöschlich in mein Gedächtnis eingebrannt hat. Und genau mit dem Land, dem diese Stadt ihren Namen gegeben hat und für das die irdischen Wikinger als Vorbild gedient haben, beschäftigt sich der Größte Abschnitt von Unter dem Westwind. Das Land Thorwal, das schon seit jeher so vollkommen anders war, als der gesamte Rest von Aventurien wird hier unter (fast) allen Aspekten beleuchtet. Hier finden sich Informationen zu Geschichte, Land und Leute, Religion und Aberglaube, Magie, Geographie, Tiere und Pflanzen, Regionen, Städte und Dörfer, Schifffahrt und dem Verhalten von Thorwalern in der Fremde. Die Autoren schlagen dabei eine etwas andere Richtung ein, als vergangene Publikationen. Wurde Thorwal bisher eher als ein relativ rückständiges Land dargestellt, dass sich wenig für die Dinge außerhalb der eigenen Grenzen interessiert, herrscht nunmehr geradezu eine Art euphorische Aufbruchstimmung. Das neue Thorwal hebt sich vom Rest Aventuriens noch wesentlich mehr ab, als in der Vergangenheit. Eine Entwicklung, die mir sehr gut gefallen hat.
Das zweite große Kapitel beschäftigt sich mit einer relativ neuen Kreation: Dem Gjalskerland. Bis vor wenigen Jahren war dieser Begriff in keiner DSA Publikation zu finden. Beim Gjalskerland handelt es sich um eine Hochlandregion nördlich des Orklandes, das von dem archaischen Volk der Gjalsker bewohnt wird. Wenn man ein irdisches Pendant zu den Gjalskern sucht, wird man am ehesten bei den schottischen Highlandern fündig, wobei letztendlich auch dieser Vergleich irgendwie unzureichend ist. In diesem Kapitel wird der Leser mit Information über die Geschichte, das Land, das Volk und die Kultur, Zeitrechnung und Kalender, Riten und Bräuche, Weisheit und Geisterkraft sowie die Glaubenswelt der Gjalsker versorgt.
Der Dritte Teil widmet sich den Königreichen Nostria und Andergast, die eine Art Dauerfehde miteinander verbindet. Die beiden Reiche existieren schon seit den Anfangszeiten von DSA. Dennoch hat bisher noch keine Publikation diese Region wirklich detailliert aufgegriffen. Lediglich in einigen wenigen Abenteuern konnte der interessierte Leser Hintergrundinformationen finden. Einer der Hauptgründe mag die Tatsache sein, dass die ewige Fehde zwischen den Reichen über lange Zeit relativ lächerlich wirkte. Erst die hier vorliegende Publikation verleiht der Thematik die längst überfällige Ernsthaftigkeit. Der Leser erhält Hintergrundinfos zu der Geschichte, dem Leben in den streitenden Königreichen, den Königreichen Nostria und Andergast an sich sowie der Landschaft und den Städten. Außerdem gibt es hier Hinweise und Tipps zu den streitenden Königreichen im Spiel.
Es folgen noch Infos zu bedeutenden Persönlichkeiten und Mysterien und Geheimnissen der einzelnen Regionen. Abgeschlossen wird der 198 Seiten starke Band mit Medienhinweisen (z.B. Hintergrundmusik) und einem Index.
Mir hat diese Regionalbeschreibung sehr gut gefallen. Alle drei Regionen bekommen einzigartige Eigenarten und Charakteristiken verliehen und werden gleichzeitig als integraler Bestandteil Aventuriens dargestellt. Die Beschreibungen sind in höchstem Maße interessant und auch spannend verfasst. Es ist nicht einfach, dieses Buch wieder zur Seite zu legen.
Mit Regionalbeschreibungen ist das m.E. so eine Sache. Entweder man hat alle oder keine. Dementsprechend kommen alle, die zu ersterer Gruppe zählen, um dieses Buch fast nicht herum. Lohnenswert ist die Anschaffung auf jeden Fall. Bezüglich der Bewertung habe ich lange gerätselt und gesucht. Dennoch konnte ich an diesem Band absolut keine Schwachstelle finden und gebe daher erstmalig 10 von 10 möglichen Punkten.