Rezension von Marc Völker (2010):
Handelsherr und Kiepenkerl hat sich dem großen Themengebiet des aventurischen Handels verschrieben. Nachdem das Thema bereits in mehreren Publikationen - zum Beispiel im Aventurischen Arsenal (2003) oder im DSA-Meisterschirm (2008) - angerissen wurde, soll es hier nun vollumfänglich aufgearbeitet werden.
Nach allgemeinen Informationen zu Handel und Waren in Aventurien befasst sich der erste große Teil der Spielhilfe mit den verschiedenen Ausprägungen des aventurischen Wirtschaftswesens. Hier werden auf knapp 80 Seiten Themen wie "Geld und Kreditgeschäfte", "Handelsgesellschaften", "Schmuggel" usw. näher beleuchtet. Die zweite Hälfte der Spielhilfe befasst sich auf 86 Seiten mit allerlei aventurischen Handelswaren. Von Rohstoffen wie Getreide und Bodenschätze über Tiere bis hin zu Handwerksgütern finden sich hier die Beschreibungen unzähliger Waren, mit denen sich mehr oder weniger gut Handel treiben lässt. Abgeschlossen wird die Spielhilfe durch Anhänge, die Handelsregeln, eine Handelskarte sowie den obligatorischen Index enthalten.
Dem behandelten Themenkomplex eilte bereits der Ruf voraus, ziemlich theoretisch zu sein. Dementsprechend liest sich nun auch diese Spielhilfe. Die Informationen sind äußerst informativ und zuweilen geradezu detailverliebt. Dadurch sind die Texte leider auch extrem trocken, und man muss leider festhalten, dass viele der Themen und insbesondere der Details für das Rollenspiel wohl keinen Nutzen haben werden. Die wenigen Themen, die eine echte Bereicherung fürs Rollenspiel dargestellt hätten (zum Beispiel der Güldenlandhandel), werden nur rudimentär angeschnitten. Auf Grund all dieser Umstände ist die Motivation zum Lesen nicht sonderlich hoch. Spannung oder gar Euphorie und Enthusiasmus kommen beim Lesen leider nur sehr selten auf.
Sehr negativ ist bei mir die Aufstellung aventurischer Handelswaren angekommen, da diese unglaublich unpräzise ist. War man aus bisherigen Quellenbüchern detaillierte Übersichten von Waren und Gegenständen des täglichen Gebrauches gewohnt, finden sich die Gegenstände hier nur noch unter Oberbegriffen zusammengefasst (zum Beispiel früher Pergament, Papier, Gänsekiele, Kohlestifte, etc; jetzt "Schreibausrüstung"). Meines Erachtens ist diese Aufstellung und damit der zumindest für mich wichtigste Teil des Bandes faktisch unbrauchbar. Jetzt mag man argumentieren, dass derartige Details nicht notwendig sind, da DSA ja schließlich keine Wirtschaftssimulation darstellt. Dem möchte ich zunächst entgegen, dass Handelsherr und Kiepenkerl eben gerade hauptsächlich jene Zielgruppe anspricht, die zumindest eine Tendenz Richtung Wirtschaftssimulation hat. Außerdem wäre hier problemlos ein Königsweg machbar gewesen, indem man die Oberbegriffe einfach aufgeschlüsselt hätte, so dass jede Rollenspielgruppe die freie Auswahl zwischen Oberbegriff und Einzelaufstellung gehabt hätte. Hinzu kommt, dass die Auflistung meiner Meinung nach in vielerlei Hinsicht unvollständig ist. Als Ersatz für die Übersichten der Gebrauchsgegenstände aus den Vorgängerpublikationen ist der Band daher ungeeignet.
Und so fragt man sich bald nach der Existenzberechtigung dieser Spielhilfe. Mir fehlt es hier an praktischen Anwendungen. Die gewöhnliche Rollenspielgruppe wird für das Thema kaum genug Interesse aufbringen, um sich für Handelsherr und Kiepenkerl zu motivieren. Als Handelskatalog eignet sich das Buch, wie bereits festgestellt, ebenfalls nicht. Somit bleiben die wenigen Spieler von Handelscharakteren, die das Buch zur Hintergrundrecherche nutzen, sowie wenige Gruppen mit einem Hang zur Wirtschaftssimulation. Damit aber ist dem Band ein Dasein als Nischenprodukt vorherbestimmt.
Aufmachung:
Handelsherr und Kiepenkerl wurde im gewohnten Layoutkonzept der "Blauen Reihe" kreiert, das in der Form auch in den Regionalbeschreibungen Verwendung findet. Informationen, die von den Autoren als "hervorhebenswert" angesehen wurden, sind grau hinterlegt. Die üblichen Querverweise (zum Beispiel auf Spielleiterinformationen) finden sich in in diesem Band nicht, da hier offenbar kein entsprechender Bedarf vorhanden war.
Die Illustrationen sind etwas unhomogen, jedoch fast ausnahmslos von hoher Qualität. Erstaunlicherweise wirkt der Stilmix hier kaum störend. Der Schreibstil liest sich gewohnt angenehm.
Fazit:
Handelsherr und Kiepenkerl ist leider die mit Abstand schwächste Spielhilfe, die mir seit langer Zeit untergekommen ist. Legt man zugrunde, dass der Band ursprünglich als aventurischer Handelskatalog angekündigt wurde, muss man feststellen, dass dieses Thema grundlegend und weit verfehlt wurde. Für den anderen großen Themenblock gibt es meines Erachtens wiederum schlichtweg kaum Nachfrage. Daher reicht es leider nur für 3 von 10 Punkten.