Rezension von Krassling (2008):
Mit Ritterburgen & Spelunken ist der erste Band einer Reihe erschienen, die das Spektrum der Publiaktionen des Schwaren Auges um eine weitere Nuance erweitert. Ein" Q" ziert die großformatigen Hardcover mit dem blauen Rand. Neben den Regelwerken und Regionalbeschreibungen (zu denen auch die 'Regionen' der Elfen und Zwerge gehören) entschließt sich Ulisses nun auch endlich, den 'Quellenband' als eigene Kategorie herauszugeben. Ganz neu ist diese Idee gleichwohl nicht, denn das Cover dürfte Freunden des Schwarzen Auges sehr wohl bekannt vorkommen.
Ritterburgen & Spelunken übernimmt dabei das bunte Treiben einer aventurischen Stadt (mit dem doch sehr griechisch anmutenden Tempel im Hintergrund) aus dem alten Tempel, Türme und Tavernen (2000). Dies ist keineswegs ein Fehler oder einer übertriebenen Sparsamkeit des neuen Verlages geschuldet, sondern der deutliche Hinweis an den Kunden, dass es sich hier um die nur leicht überarbeitete Ausgabe dieser vergiffenen Publiaktionen sowie des Armorium Ardariticum (1999) handelt. Während sich letzerer Band vor allem den aventurischen Wehrbauten und ihrer Errichtung widmete, waren die Tempel und Tavernen durch Ausführungen zur aventurischen Stadt ergänzt.
Das knapp 200 Seiten starke Werk listet im Inhaltsverzeichnis zunächst knapp zwei Dutzend aventurische Burgen. Die hier vorgestellten Gemäuer sind dabei als beispielhaft zu verstehen, wenngleich so etwas wie eine generische Burg nicht wirklich zu finden ist. Was mich bisweilen etwas befremdet, bei anderen Lesern aber ein Gefühl von Vertrautheit erzeugen mag, ist der Umstand, dass die meisten (wenn nicht alle) Befestigungen Kopien irdischer Vorbilder sind.
Größtmögliche Realitätsnähe mag hier mancher hervorheben, ich komme dennoch nicht umhin, mich an einigen Stellen etwas zu wundern. Die beispielhaften Burgen sind eben letztlich doch sehr spezielle Einzelwerke und taugen wenig für den generischen Wehrbau am aventurischen Wegesrand. Manch einer mag im stillen Kämmerlein die Frage stellen, bis zu welchem Grad irdische Burgen überhaupt als Vorbilder für aventurische Wehrbauten dienen können und sollen, doch von derlei ketzerischem Gedankengut soll hier nicht weiter die Rede sein.
Hernach widmet sich der Band dem aventurischen Dorf in seinen verschiedenen Erscheinungsformen vom tobrischen Streudorf bis zum andergastschen Rundling. Hier gelingt es weitaus besser, dem Anspruch einer exemplarischen Ausarbeitung mit Übertragbarkeit auf andere Orte gerecht zu werden. Neben der grundlegenden Anordnung des Dorfes findet sich hier auch wieder ein gutes Dutzend vielseitig einsetzbarer Gebäude.
Nach der dörflichen Gemeinde geht man zur Stadt über. In aller Kürze werden hier ein paar grundlegende Elemente der Stadt und ihrer Rechtslage genannt. Anschließend warten auf den Leser die verschiedensten Gebäude der generischen 'Mittelstadt'. Darunter sind auch Örtlichkeiten, die aventurische Helden viel zu oft (Kaschemme, Stadtwache) oder viel zu selten (Badehaus) sehen. Die Liste der Gebäude findet ihren Abschluss mit den Sakralbauten und zählt auch eine Handvoll Sonderlinge, zu denen das thorwalsche Langhaus ebenso gehört wie ein zwergisches Hügelhaus.
Aufbau:
Die Informationen zu den einzelnen Bauwerken unterschieden sich je nach Art des Gebäudes bzw. der ursprünglichen Quelle des Eintrags. Im Falle der Wehrbauten folgt auf die Beschreibung des eigentlichen Bauwerks und der illustrativen Darstellung der Grundrisse auch ein kurzer Kommentar zu den Schwachstellen der Anlage. Dies mag zunächst verwirren, dennoch liefert dies dem Meister eine Information, die er zum Beispiel militärisch bewanderten Helden zur Verfügung stellen kann. Den Abschluss bilden die Abenteuerideen, die je nach Bauwerk mehr oder weniger exotisch ausfallen, aber dennoch stets willkommene Anregungen sind.
Bei den zivilen Bauten beginnt jede Beschreibung mit einem Abschnitt zur Geschichte des Gebäudes. Da es sich bei Mittelstadt um die generische, aventurische Stadt handelt, sind diese Abschnitte oft sehr kurz gehalten. Umfangreiche Ausflüge in die Historie eines fiktiven Ortes wären in diesem Konzept auch wenig sinnvoll. Auch hier schließt sich die unabdingbare Beschreibung der Räumlichkeiten an, auf die ein eigener Abschnitt zu den Bewohnern folgt. Die Abenteuerideen werden hier noch um die jeweiligen Besonderheiten des Gebäudes ergänzt, die ihrerseits wieder Anreiz für weitere Abenteuer oder doch zumindest interessante Schauplätze des Gebäudes bieten. Da es sich bei den Gebäuden tatsächlich nicht um Einzelbauten, sondern um generische Typen handelt, beschließen die Abschnitte zur Verbreitung und alternativen Verwendungen des Gebäudetyps die Beschreibungen. Zu den meisten Gebäuden werden Grundrisse, zumindest aber die eine oder andere Illustration dargeboten.
Die zahlreichen Illustrationen wurden aus den alten Werken übernommen. Die Gesamtanordnung wurde dabei etwas angepasst, so dass Platz gespart werden konnte. Interessant ist hier die Vielfalt der Stile. Neben klassischen Grundrissen finden sich hier auch 3D-Aufrisse, Außenansichten und Fassadenzeichnungen. Dies verleiht dem Band den Charakter eines Kompendiums, wenngleich sicher nicht jeder Stil jedem Leser gefallen wird.
Anhänge:
Über elf Seiten erstreckt sich der unvermeidliche Anhang zu den Bauregeln. Hier stehen vor allem die Kosten eines Gebäudes im Vordergrund. An und für sich sollen solche Konstrukte die Wünsche der Simulationisten befriediegen, die jedoch sehr bald feststellen werden, dass die Grenzen der vorgestellten Regeln schnell erreicht sind. Die Abwägung zwischen Simulation und Spielbarkeit ist bei den DSA-Designern bekanntlich immer ein schwieriges Feld. Demzufolge werden auch hier wieder Fragen beantwortet, die niemand gestellt hat, während Antworten fehlen, die mancher Meister seinen Spielern irgendwann geben muss. Generell dienen die vorgestellten Regeln dazu, Helden mit zu viel Geld ein sinnvolles Ziel für ihre unermesslichen Reichtümer zu liefern. Leider wird dies nur unzureichend kommuniziert, und die Regeln sind auch nicht entsprechend gezielt entwickelt worden.
Eine Besonderheit des Bandes ist der zweite Anhang, der da "Handel und Wandel auf dem Dorf" genannt wird. Dieser kurze Anhang könnte geradezu als innovativ gelten, handelte es sich nicht auch hier um ein Recycling-Produkt. Der geneigte Leser findet hier im Wesentlichen die Würfetabellen aus dem Handbuch für den Reisenden, welches Teil der Kreaturenbox aus der zweiten Edition des Schwarzen Auges war. Nichtsdestotrotz ist dieser Anhang in meinen Augen besonders hervorzuheben, da er die direkte Rekation auf zahlreiche Kundenwünsche darstellt. So werden auch jüngere Spieler in den Genuß eines Spielmechanismus kommen, den der moderne Rollenspieltheoretiker längst überwunden glaubte, der aber einfach zu viel Spaß macht, um in der Versenkung zu verschwinden. Aus Platzgründen musste das Würfelbeispiel Trutzbach leider verschwinden, was der Qualität aber keinen Abbruch tut und nur senilen Nostalgikern wie mir fehlen wird.
Fazit:
Mit Ritterburgen & Spelunken wird dem Fanboy eine neue Reihe der DSA-Produkte eröffnet, die in dieser Form längst überfällig war. Der erste Band dieser Reihe bietet leider nur Recylcling-Material, welches aber dennoch nichts an Wert verloren hat und gerade für jüngere Spieler interessant sein dürfte. Der Hinweis, dass Besitzer der alten Bände hier keinen Mehrwert zu erwarten haben, erübrigt sich fast. Etwas bedauerlich ist in diesem Zusammenhang der Preis, der trotz geringerer Produktionskosten dem vollen Standard-Preis entspricht. Nun lässt sich darüber streiten, in wieweit solcherlei Einsparungen an den Kunden weitergegeben werden sollten. Solange ich davon ausgehen kann, dass derartige Schwankungen in den Gewinnmargen dazu genutzt werden, um höhere Kosten bei anderen Produkten abzufedern, sehe ich hier aber kein Problem.
Auf die Inhalte bin ich bereits in der gebotenen Kürze eingegangen. Generell bleibt hier aus meiner Sicht festzuhalten, dass die Ausführungen zu den verschiedenen Burgen nur sehr bedingt als schnelle Referenz zu gebrauchen sind, sondern sich bestenfalls als Anregungen für eigene Abenteuer an den entsprechenden Schauplätzen eignen. Dies gilt umso mehr, als dass einige Schauplätze, die in den letzten Jahren immer wieder ins Zentrum der Aufmerksamkeit rückten, hier nicht zu finden sind. Die Ausführungen zu den Themen Dorf und Stadt sind hingegen sehr gut zu gebrauchen und besitzen aufgrund ihres generischen Charakters auch einen hohen Wiederverwendungswert.
Der Band besitzt Stärken und Schwächen, die je nach individuellen Vorlieben anders bewertet werden. Für mich gibt hier es hier keinen klaren Ausschlag in die eine oder andere Richtung, so dass meine Wertung für Alveran 5 Punkte beträgt.