Rezension von Marc Völker (2010):
Drachenerbe - Auf dem Weltenwall ist der zweite Teil der auf vier Teile ausgelegten Kampagne Die Drachenchronik, die sich mit einer epischen Auseinandersetzung zwischen Gut und Böse befasst, die sich jedoch zum Großteil im Verborgenen abspielt.
Im ersten Abenteuer Bis ans Ende von Stefan Unteregger machen sich die Helden auf Geheiß Apeps auf den Weg zum allweisen Kaiserdrache Fuldigor, um die Birscha-Rolle entschlüsseln zu lassen. In Festum rüsten sie eine entsprechend Expedition aus. Dort bittet sie die exilierte Prinzessin Yppolita von Gareth darum, sich der Expedition anschließen zu dürfen. Auf dem Weg in die höchsten Gipfel des Ehernen Schwertes sind eine Hexenverbrennung, vermeidliche Werwölfe und die Blauen Mahre nur einige der Probleme, mit denen die Helden konfrontiert werden, bevor sie schließlich dem "Beender" gegenübertreten dürfen.
Neue Freunde, alte Feinde von Katja Reinwald und Stefan Unteregger stellt ein Intermezzo dar, das die beiden Abenteuer des Bandes nahtlos verbindet. Die Helden treffen auf die Überreste der Lichtvogelexpedition, die gerade erst Pardona entkommen sind und auf der Flucht vor deren Häschern gestellt wurden. Nachdem die Helden der Expedition zur Hilfe eilen, kann diese ihnen die Identität ihrer gemeinsamen Gegenspielerin offenbaren.
Vermächtnis im Mondschein von Katja Reinwald führt die Helden in die Trollzacken, wo sie auf der Trollfestung Traschmalgor Nachforschungen über Pardonas Pläne anstellen wollen. Zunächst gilt es, die Unwirtlichkeit des Gebirges zu überstehen, nachdem die Reise per Trollpfad vorzeitig endet. Als die Helden ihr Ziel nach zahlreichen Entbehrungen und Prüfungen schließlich erreichen, müssen sie nicht nur die Trollfestung und ihre eigene Haut gegen diverse Angriffe verteidigen, sondern können auch Einblick in den diabolischen Plan ihrer Gegenspielerin erhalten. Sie können zwar vorerst Pardonas Pläne nicht vereiteln, jedoch werden sie in die Lage versetzt, nicht länger nur auf Pardonas Handlungen zu reagieren. Statt dessen sind die Helden nun in der Lage, im dritten Band Drachenschwur - An den Ort des Ursprungs (2010) aktiv gegen Pardonas Pläne vorzugehen.
In Bis ans Ende haben die Charaktere, sieht man vom festgesteckten Ergebnis einmal ab, fast alle Möglichkeiten Deres, um ihr Ziel zu erreichen. Die skizzierten Wege stellen da nur Optionen dar. Hier geht der Autor jedoch zurecht davon aus, dass die vorgezeichneten Wege die wahrscheinlichsten Möglichkeiten darstellen. Leider enden die Freiheiten mit dem Abschluss des Abenteuers. Vermächtnis im Mondschein ist deutlich linearer aufgebaut und bietet den Spielern nüchtern betrachtet wenig eigenen Handlungsspielraum. Trotz der guten Umsetzung besteht hierbei die Gefahr, dass die Spieler irgendwann zu dem Ergebnis kommen, die Handlung ja doch nicht maßgeblich beeinflussen zu können, und daher Zuschauerrollen einnehmen. Zu allem Überfluss erhalten die Charaktere nicht einmal die Möglichkeit, zwischen den Abenteuer zu regenerieren, von Talentsteigerungen ganz zu schweigen.
Genau wie Drachenschatten (2009) greift auch Drachenerbe mehrere offene Handlungsfäden auf, ohne jedoch die entsprechenden Publikationen zur Voraussetzung zu machen. Insofern hält sich das erforderliche Hintergrundmaterial in grenzen, wobei neben dem verwendeten Regelwerk Land des schwarzen Bären (2008) und Firuns Atem (2000) sicherlich gute Ideen wären.
Drachenerbe richtet sich primär an erfahren Spielleiter und Spieler - und an klassische Heldenprofessionen, die mit einem starken Schwertarm, Überlebensfähigkeiten etc. glänzen können. Entsprechendes Hintergrundwissen für zumindest einen Charakter ist ebenso Pflichtprogramm wie magische und/oder karmale Unterstützung (wobei das den Ablauf tendenziell auch verkomplizieren kann). Naturgemäß sind Vorurteile / Hass / etc. gegen Drachen dem Ablauf nicht unbedingt dienlich. Letztendlich stellt die Heldenauswahl meines Erachtens hier ohnehin nur eine theoretische Option dar, die die entsprechenden Entscheidungen eigentlich schon vor Beginn der Kampagne erfolgt sein sollten.
Sämtliche Optionen, einzelne Abenteuer ohne die Kampagne bzw. die Kampagne ohne einzelne Abenteuer zu spielen, grenzen für mich persönlich an Blasphemie. Unabhängig von meiner persönlichen Ansicht bieten die Autoren dem Spielleiter zu genau diesem Punkt entsprechende Hilfestellungen an, um eine höchstmögliche Flexibilität zu gewährleisten.
Wie bereits der erste Teil enthält auch Drachenerbe wieder allerlei Hintergrundinformationen zu dem Thema "Drachen". Der Fokus liegt dieses Mal auf der Frage, was den einzelnen Kultur bzw. Professionen zu Drachen im allgemeinen und zu Pyrdacor im Speziellen bekannt ist sowie auf diversen Orakeln. Hier besteht Hoffnung, dass die Drachchronik, so sie vollendet ist, auch eine recht passable Drachenspielhilfe abgeben könnte.
Aufmachung:
Drachenchronik II: Drachenerbe erscheint als Hardcover. Das Titelbild zeigt wiederum eine Nahaufnahme eines Drachenauges. Die Illustrationen haben meinen Geschmack voll getroffen. Die Stimmung wird hervorragend eingefangen. Die Handouts sind relativ mager ausgefallen. Jedoch werden diese immerhin von Ulisses-Spiele parallel zum Download angeboten.
Das Layout ist vorbildlich und sehr übersichtlich aufgebaut. Informationen finden sich selbst in der "Hitze des Gefechtes" problemlos. Der Schreibstil liest sich flüssig und angenehm.
Fazit:
Mit Drachenerbe - Auf dem Weltenwall nimmt die Drachenchronik zusehends Fahrt auf. Qualitativ können die Abenteuer problemlos mit Band 1 mithalten. Die Abenteuer sind interessant und spannend. Zudem sind die behandelten Themen ein Garant dafür, dass Epik und Pathos nunmehr langsam aber sicher Einzug in die Kampagne halten. Daher erhält Drachenerbe von mir 8 von 10 Punkten.