Rezension von Marc Völker (2009):
Der Anthologieband Unter Barbaren entführt die Helden in die Welt der archaischen Kulturen, die in Aventurien im Allgemeinen als primitiv und unzivilisiert angesehen werden. In vier Abenteuern tauchen die Helden in eine Welt ein, in der im Regelfall nur das Recht des Stärkeren zählt:
Hauer und Horn suchen die Helden im gleichnamigen Abenteuer von Martin John. Die Helden werden zur Mammutjagd im Gjalskeland angeworben. Nachdem sie zunächst eine Horde Orks überwinden müssen, geraten sie in die Gefangenschaft eines Stammes Gjalskerländer, denen sie ihre Ehrhaftigkeit beweisen müssen, wollen sie nicht in einer Pfahlgrube enden.
Feuer und Eis von Klaus Adrian und Lars Feddern führt die Helden in die Nebelzinnen im hohen Norden. Die Charaktere werden für eine Forschungsexpedition angeworben, um den Ursprung vermehrter Bernsteinaufkommen zu erkunden. Auf ihrer Suche treffen die Helden auf einen Fjarninger, der ihnen für ihren Beistand großen Mengen an Bernstein in Aussicht stellt. Im Gegenzug sollen die Helden ihm behilflich sein, zu einer berühmten Zauberschmiedin zu gelangen. Eisorks und Waffengeistern sind nur ein Teil der Probleme, mit denen die Helden dabei konfrontiert werden.
Marbos Rabe suchen die Helden im Abenteuer von Matthias Freund und Lena Kalupner. Im Auftrag der Universität von Al'Anfa sollen die Helden einen seit langer Zeit vermissten Schatz im Regengebirge finden. Dabei folgen sie einer Jahrhunderte alten Aufzeichnung. Leider haben sich die beschriebenen Wegmarken seitdem zum Teil erheblich verändert. Hinzu kommen Waldmenschen, die von den Bemühungen der Helden alles andere, als begeistert sind.
In Das Blut der Götter von Uli Lindner werden die Helden von dem Magier Baralbus G'Hliatan angeworben, um seine Theorie über die Verehrung von Göttern durch die alten Tulamiden zu beweisen. Hierzu sollen die Helden im Thalusamassiv einen alten Kultplatz aufspüren. Dummerweise hat Baralbus mit niemand Geringerem als Salpikon Savertin gewettet, dass seine Theorie richtig sei - und dieser schickt nun seinerseits eine Schülerin aus, um dafür zu sorgen, dass ein möglicher Bewiese für die Theorie niemals gefunden wird. Die Tatsache, dass ein Ferkinastamm einen der Helden für einen leibhaftigen Göttersohn hält, mach die Angelegenheit auch nicht unbedingt einfacher.
Mit den vier Abenteuer erhält man einen schönen Querschnitt der "Wildniskulturen" Aventuriens. Alle vier Geschichten sind interessant und spannend erzählt. Letztendlich befassen sich alle vier Abenteuer mit Expeditionen, die die Helden in abgelegene und von Ureinwohnern bewohnte Winkel Aventuriens führen. Die an die Charaktere gestellten Anforderungen sind dabei höchst unterschiedlich, so dass sich die Zusammenfassung der vier Abenteuer zu einer Kampagne als eher schwierig, jedoch nicht unmöglich erweisen dürfte. Die Anthologie bietet hierzu jedenfalls keine Hilfestellung an.
Grundsätzlich gibt es bei der Wahl der Charaktere wenig Einschränkungen, sieht man von den temperaturbedingten Problemen und gewöhnlichen Feindbildern ab. Außerdem sollte nach Möglichkeit vermieden werden, dass ein Charakter aus der jeweiligen Kultur, um die sich das Abenteuer dreht, gespielt wird, da die Abenteuer allesamt in gewissem Umfang von der Fremdartigkeit der jeweiligen Kultur leben. Unabhängig davon muss natürlich darauf geachtet werden, dass die Gruppe als Ganzes die Anforderungen erfüllen kann, will man die Geschichte nicht massiv verbiegen.
Neben dem jeweils verwendeten Regelwerk sollen die entsprechenden Regionalbeschreibungen möglichst vorliegen, da die Hintergrundbeschreibungen hier relativ kurz ausfallen.
Die Autoren gewähren den Charakteren in den Abenteuern relativ viel Handlungsfreiraum. Bis auf wenige Schlüsselszenen, die dafür sorgen, dass sich die Geschichte irgendwo im geplanten Rahmen bewegt, wird großteils auf einen linearen Handlungsablauf verzichtet. Daraus ergibt sich für die Autoren die Möglichkeit, die relevanten Teile der Handlung vernünftig zu beschreiben, statt dass etliche Themen nur grob umrissen werden. Unter Zuhilfenahme der Regionalbeschreibungen oder des eigenen Improvisationstalentes kann der Rest erstaunlich einfach improvisiert werden. Dementsprechend hält sich der Vorbereitungsaufwand für eine Anthologie in Grenzen.
Layout:
Unter Barbaren ist als Hardcover erschienen. Das Titelbild zeigt einen barbarischen Kämpfer, ist jedoch ansonsten eher nichtssagend. Sowohl stilistisch als auch layouttechnisch sind die vier Abenteuer ungewöhnlich homogen gestaltet. Das macht den Band übersichtlich und die Orientierung einfach. Die Illustrationen wirken ansprechend und qualitativ hochwertig.
Fazit:
Unter Barbaren ist eine interessante und überdurchschnittliche Anthologie, die vor allem thematisch aus der Masse hervorsticht. Schade ist lediglich, dass sich die einzelnen Abenteuer an sehr unterschiedlich erfahrene Charaktere richtet. Somit reduziert sich natürlich der Wert der Anthologie, weil immer nur ein Teil der Abenteuer ohne größeren Aufwand verwendet werden kann. Von daher ist der Preis dann auch etwas hoch. Vor dem Hintergrund, dass diese Position der einzige wirklich nennenswerte Kritikpunkt ist, erhält Unter Barbaren von mir 8 von 10 Punkten.