Rezension von Krassling (2007):
Je mehr die Dinge sich ändern, desto mehr bleiben sie gleich. Dieser Satz könnte auch für die Romane gelten, die in der Welt des Schwarzen Auges angesiedelt sind. In früheren Zeiten gingen die Aufträge oftmals an professionelle Schreiber mit wenig Ahnung über das, was sie da eigentlich beschreiben sollten. Lieblose Massenware mit dem Aufdruck DSA und nur rudimentären Ähnlichkeiten zur Welt Aventurien waren die Folge. Heute steht kein großes Unternehmen mit entsprechendem Budget mehr hinter dem Schwarzen Auge, dafür mangelt es jedoch nicht an engagierten Nachwuchsautoren, die sich gerne an der Aufgabe versuchen. Mangelnde Kenntnisse der Spielwelt und seiner Besonderheiten kann man diesen Autoren ebenso wenig vorwerfen wie fehlendes Engagement. Inwieweit diese die oftmals fehlende Erfahrung als Romanautoren kompensieren können, muss sich jeweils im Einzelfall zeigen.
Einer dieser jungen Autoren ist Daniel Jödemann. Freunden des Schwarzen Auges ist er längst kein Unbekannter mehr. Als Autor zahlreicher Abenteuer, Zeichner von Karten und zuletzt auch Mitarbeiter an Spielhilfen wie Angroschs Kinder (2005) oder Herz des Reiches (2006) hat er sich einen Namen in der Welt des Schwarzen Auges gemacht. Mit den "Nebeln Havenas" gibt er nun auch sein Romandebüt. Dass der Roman dabei in der ältesten Stadt der Spielwelt (zumindest aus der irdischen Perspektive) spielt, ist kein Zufall. Jödemann hat während der Arbeiten an Am Großen Fluss (2005) an der Beschreibung der Stadt mitgewirkt, und dabei entstand die Idee, einen Roman an diesem Ort anzusiedeln.
Zwei Menschen sind es, deren Reise am Beginn des Romans steht. Die junge Magierin Cairbre macht sich von Nostria aus auf den Weg, ihre Familie in Havena zu besuchen. Kein leichter Weg, betrachtet die Familie der Maga deren Gabe doch als einen Fluch und begegnet ihr mit massiver Ablehnung. Auch der Efferd-Geweihte Mero ist auf dem Weg in die albernische Hauptstadt. In der Stadt, die Efferd einst unter gewaltigen Fluten begrub, will er seinen schwächelnden Glauben erneuern. Zunächst noch ohne Zusammenhang wird auch die Situation der Kaufherrin Vilai ni Vecushmar beleuchtet. Nachdem ihre Eltern ermordet wurden hat die junge Frau deren Kontor übernommen. Doch die Geschäfte laufen immer schlechter, und ein dunkles Geheimnis bedroht die Existenz des Hauses.
Im weiteren Verlauf entwickelt sich die Story zu einer recht gelungenen Detektivgeschichte, in der die Protagonisten einer unheiligen Verschwörung auf die Spur kommen. Jödemann knüpft hierbei an die alten Beschreibungen an, die bereits in der Havenabox aus der Zeit von Schmidt-Spiele zu finden waren. Auffällig ist allerdings, dass er die beiden wichtigsten Handlungsfäden erst nach der Hälfte des Romans zusammenführt. Geweihter und Maga stoßen eher zufällig aufeinander, was der Handlung wieder eine recht beliebige Flussrichtung verleiht. Leider tut sich der Autor hiermit keinen Gefallen. Das parallele Verfolgen mehrerer Handlungsstränge ist heute gängige Praxis bei den meisten Autoren, doch haben auch erfahrenere Schreiber bisweilen ihre Probleme damit, unter diesen Bedingungen die Spannung zu halten. Leider gelingt dies Jödemann mehr schlecht als recht. Die gelegentlichen Verknüpfungen der verschiedenen Fäden wirken eher hölzern, und die endgültige Zusammenführung durch das Aufeinandertreffen der Protagonisten kommt viel zu spät.
Einer der Gründe, warum die Handlung so langsam in die Gänge kommt, ist Jödemanns ausführliche Verortung des Romans in der aventurischen Geschichte. Die eingangs angesprochenen Kenntnisse aventurischer Verhältnisse werden hier deutlich sichtbar. Für den Aventurienhistoriker mögen die diversen Ausführungen sehr wohl interessant sein, seiner eigentlichen Geschichte tut der Autor damit jedoch keinen Gefallen. Eine wohltuende Ausnahme stellt die Darstellung der Unterstadt dar. Zwar sind die anfänglichen Verweise auf die Vergangenheit noch ermüdend, doch gelingt es später, die düstere Stimmung der versunkenen Unterstadt so anschaulich zu machen, dass diese Szenen zu den besten des Romans gehören.
Zu Beginn des Romans wird der Beschreibung der Figuren viel Raum gegeben. Daniel Jödemann vertieft hier den Hintergrund seiner Protagonisten und bereitet den Boden für eine ausführliche Charakterentwicklung. Es ist jedoch dem Format des Bandes und der Erwartung der Leser geschuldet, dass diese Bemühungen im zweiten Teil zugunsten actionlastiger Sequenzen stark in den Hintergrund gedrängt werden. Hier wäre es vielleicht besser gewesen, die eigenen Ansprüche an die Tiefe der Figuren etwas zurückzustellen und sich auf die eigentliche Handlung zu konzentrieren.
Extrem irritierend für mich persönlich waren die drastischen Beschreibungen der magiefeindlichen Stimmung in Havena. Die Schikanierung der ansonsten angesehenen Gildenmagier, die Verleumdung und rechtswidrige Verhaftung Arkaner, zudem noch verstärkt durch die feindselige Haltung der Familie der Magierin Cairbre, decken sich nicht mit meinen Vorstellungen von Aventurien im Allgemeinen oder auch Havena im Speziellen. Umso interessanter zu lesen sind die vielen pragmatischen Zauberanwendungen der Maga. Es ist geradezu verblüffend, mit welchem Einfallsreichtum die nostrische Absolventin ihr Zauber zum Einsatz bringt - und hier zeigt sich Jödemanns jahrelange Erfahrung mit aventurischen Zauberwirkern. Selbst alte Hasen können sich hier noch ein paar Tricks abgucken und den Meister beim nächsten Mal mit überraschenden Kombinationen aus der Fassung bringen.
Sprachlich vermag der Autor dagegen nicht immer ganz zu überzeugen. Formulierungen wirken oftmals noch ein wenig ungeschliffen. An manchen Stellen ist der Autor sichtlich um präzise Formulierungen bemüht, verfehlt es jedoch, seinen Worten entsprechende Wirkung zu verleihen. Hervorzuheben sind die Passagen, in denen die unheimlichen Elemente des Settings beschrieben werden. Sowohl die düsteren Beschreibungen der Unterstadt als auch die grausigen Visionen der Erzdämonin sind sehr gelungen, werden jedoch teilweise zu wenig genutzt.
Bis zu diesem Zeitpunkt der Analyse erscheint der Roman durchwachsen, aber sehr wohl unterhaltsam. Ein Manko entwertet den Band aber in meinen Augen insgesamt, welches ich hier am wenigsten anzutreffen erwartet hatte. Jede Geschichte ist nur so gut wie ihr Ende. Jödemanns Finale gehört jedoch eindeutig zu den schwächeren Passagen des Romans. Die Spannung wird aufgebaut, aber der Höhepunkt bleibt lasch. Auch sprachlich wird die actionlastige Auseinandersetzung zwischen den Parteien nicht überzeugend transportiert.
Fazit:
Daniel Jödemann versucht sich mit In den Nebeln Havenas an einem anspruchsvollen Thema. Eine gruselige Detektivgeschichte bietet den Rahmen für sein Werk. Leider verzettelt er sich dabei manchmal auf verschiedenen Baustellen und setzt so leider bisweilen die falschen Akzente. Auch sprachlich besteht bei Jödemann noch Potential, welches sich erst in der weiteren Praxis entfalten dürfte.
Was sich der Autor meiner Ansicht nach wirklich vorwerfen muss, ist der unfertige Charakter der Geschichte. Ständige Anspielungen auf vergangene Ereignisse, deren Kenntnis Jödemann mehr oder weniger voraussetzt, dazu das halbgare, offene Ende, führen dazu, dass der Roman den Eindruck erweckt, nur ein Kettenglied zu sein zwischen Publikationen, die da waren, und jenen, die noch kommen werden. Dies stört das Gesamtbild nachhaltig und verleidet mir den Band doch sehr. Es bleibt zu hoffen, dass Daniel Jödemann die Gelegenheit erhält, sich als Autor noch weiter zu entwickeln, denn dann darf man auf seine künftigen Werke sehr gespannt sein. In den Nebeln Havenas erhält von mir 4 von 10 Punkten.