Rezension von Marc Völker (2005):
Bei Das Greifenopfer handelt es sich um keine Neuerscheinung. Vielmehr legt Fanpro den bereits 2002 im der Heynereihe erschienenen Roman von Thomas Finn nunmehr im eigenen Haus neu auf.
Der Autor erzählt die Geschichte des Phex-Geweihten Greifwin, der sich als angeblicher Sohn eines verstorbenen Kaufmanns auf einen göttlichen Fingerzeig hin nach Lowangen begibt, um ein über vierhundert Jahre altes Rätsel zu lösen. Dabei trifft er auf die Halbelfe Mayla, eine Freundin seines Alter Egos aus Kindertagen, die mit ihrem eigenen Schicksal hadert. Nach anfänglichen Reibereien schmiedet ein übermächtiger Feind, der nur gemeinsam besiegt werden kann, die beiden enger zusammen, als sie zugeben wollen ...
Eine ganz große Stärke dieses Romans sind die Protagonisten. Zum einen wäre da der Phex-Geweihte Greifwin, der kein Überheld, sondern viel mehr der "Abenteurer von nebenan" ist. Greifwin ist arrogant, überheblich und bringt sich mit seinem viel zu großen Mundwerk immer wieder in Schwierigkeiten. Genau diese Fehler und Macken aber machen die Vielschichtigkeit des Charakters aus.
Auf der anderen Seite ist da Mayla, die halbelfische Magierin, die ihr elfisches Erbe verdrängt und sich hinter den Mauern einer Magierakademie vor der Realität versteckt. Erst als sie von ihrem Mentor quasi an die Luft gesetzt wird, muss sie der Realität ins Auge blicken. Abschließend sollte hier auch noch der Troll Kralluwatsch erwähnt werden, der die Handlung durch seine Kommentare immer wieder aufheitert, ohne dass die Geschichte dadurch lächerlich wirkt.
Das Buch ist interessant und spannend geschrieben. Thomas Finn integriert die Geschichte hervorragend in die aventurische Spielwelt. Man merkt ganz deutlich, dass das Buch von einem DSA-Veteranen stammt. Der Hintergrund ist sauber und fehlerfrei recherchiert. Besonders erwähnenswert sind hier die Einblicke, die Thomas Finn dem Leser in die Kultur und Lebensweise der Orks gewährt. Ich könnte mir auch sehr gut einen Roman des Autors mit Orks im Mittelpunkt vorstellen.
Grundsätzlich beschreibt der Autor in Das Greifenopfer eine isolierte und in sich geschlossene Handlung. Dennoch gibt Thomas Finn dem Leser das Gefühl, dass die Handlung des Romans Teil einer viel größeren Geschichte ist. Sollte der Leser die DSA-Kampagne Im Schatten von Simyala kennen, wird auch sehr schnell klar, woher dieses Gefühl kommt ...
Stilistisch gesehen lässt Das Greifenopfer ebenfalls kaum Wünsche offen. Die Handlung fesselt den Leser, und der Schreibstil erlaubt ein angenehmes und flüssiges Lesen. Etwas negativ fällt lediglich auf, dass Herr Finn bei seinen Beschreibungen recht häufig die gleichen Adjektive verwendet und dass es etwa hundert Seiten dauert, bis die anfangs recht träge Geschichte an Tempo gewinnt.
Fazit:
Das Greifenopfer stellt nach wie vor ein Highlight in der DSA-Romanreihe dar. In meiner persönlichen Hitliste rangiert das Buch nur knapp hinter Klassikern wie Der Scharlatan oder Das zerbrochene Rad. Von mir erhält das Buch 9 von 10 Punkten.