Rezension von Krassling (2005):
Mit Maraskengift erscheint nach langer Zeit wieder ein aventurischer Roman, dessen Handlung auf der Insel Maraskan spielt, auf der man bisweilen nur 'Giftmischer und Meuchelmörder' leben. Dies ist umso bemerkenswerter, da der bisherige Schöpfer solcher Geschichten - Karl-Heinz Witzko (Treibgut, Spuren im Schnee) - nicht mehr für Das Schwarze Auge arbeitet. Mit seinem dritten Roman tritt Markus Tillmans in große Fußstapfen, denn Witzko und der ihm eigene Stil erfreuten sich in DSA-Kreisen einer treuen Gefolgschaft. Nach bislang zwei eher mäßigen Romanen (Das Daimonicon, Todgeweiht) durfte man gespannt auf das dritte Werk des Nachwuchsautors sein.
Bereits in einer ersten Durchsicht fällt auf, dass Maraskengift über einen recht aufwendigen Überbau verfügt. Neben den 16 Kapiteln, dem Prolog und dem Epilog finden auch ein umfangreiches Personenverzeichnis sowie ein Glossar aventurischer Begriffe Platz. Zudem ein kurzer Brief in die Heimat, der uns gewissermaßen die typischen Leiden eines 'Fremdijis' nahebringen will. Das Glossar ist einem Spielweltroman gewöhnlich sehr anzuraten, doch werden wir noch sehen, dass Aventuriens unkundige Leser ohnehin keine Freude an diesem Roman haben werden. Das Personenverzeichnis ist dagegen äußerst nützlich für einen Roman mit so vielen Protagonisten, doch wünscht man sich, der Autor hätte sich hier auf jene Personen beschränkt, die auch tatsächlich in der Geschichte vorkommen.
Die Geschichte wird uns und einem darpatischen Söldner von zwei Priestern der Zwillingsgötter erzählt. Dieses Konzept ist im Grunde genommen nicht neu, und dass die Erzähler ihrer zwei sind, erscheint dabei durchaus angebracht. Anstrengend wird dies allerdings dadurch, dass sich die beiden nicht immer ganz einig sind. Ja, sie können sich nicht so recht auf die Namen und nicht einmal das Geschlecht aller Figuren ihrer Geschichte einigen. Der Autor nutzt diese Konstellation auch dafür, bestimmte Details nachzutragen, die für das Vorankommen der Geschichte nicht unerheblich sind. Leider ist die Verwirrung oft größer, und die Einwürfe zu Beginn des Kapitels erscheinen mir eher lästig.
Die beiden Männer beginnen ihre Erzählung mit dem jungen Brindiji(a)n, einem in die Heimat zurück gekehrten Exilmaraskaner. Nach langer Einleitung eröffnet Tillmanns mit einer gleichsam erheiternden wie auch sehr maraskanischen Szene. Der ahnungslose Brindijin errichtet sein Haus im Sumpf, wo es am Tag der Fertigstellung von hungrigen Käfern vernichtet wird. Preiset die Schönheit!
Zurück in Sinoda gerät Brindijin an eine Meuchlergilde. Von diesen für eine Botengang nach Jergan angeworben schließt er sich einer Reisegruppe an. Doch Brindijin muss auf der Hut sein, denn die Bruderschaft hat ihn vor einem Attentäter gewarnt. Die Reise entpuppt sich schnell als wahrer Alptraum für den jungen Mann. Nicht nur, dass die Schöne Alryscha seine Avancen zurückweist, es dauert nicht lange, da wird der erste Reisende getötet. Während die Gruppe sich durch den grässlichen Dschungel kämpft, beginnt ein gnadenloses Katz-und-Maus-Spiel. Jeder der Beteiligten könnte der Mörder sein, ein jeder scheint verdächtig, und doch fehlt es bis zuletzt an Beweisen.
Der arme Brindijin macht dabei keine glückliche Figur. Tatsächlich scheint ihm die lustige Nebenrolle auf den Leib geschneidert. Als er dann tatsächlich ins besetzte Tuzak vordringt und dort heldenhaft ein Heilmittel für seine Angebetete Alryscha beschafft, bleibt ihm auch noch der Dank versagt. Nachdem ein Attentäter außerhalb der Gruppe schließlich den offenen Angriff begonnen hat, flüchtet sich die Gruppe zu den Höhlen des falschen Echos. Hier werden nun endgültig alle irre, und die Geschichte verliert jeden logischen Fortgang.
Nach einem chaotischen Gefecht in den Höhlen wird Brindijin von einem mysteriösen Wesen erleuchtet und durchschaut die Morde mit einem Mal. Dem Leser muss dies dabei kaum weniger wunderlich erscheinen als seinen Mitstreitern: "Manches klang auf eine verquere Art einleuchtend, anderes schlicht schwachsinnig." Der Umstand, dass die Lösung eingebettet in allerlei maraskanische Zahlenmystik präsentiert wird, trägt nicht unbedingt zum besseren Verständnis bei. Nachdem die Geschichte auf diese reichlich obskure Art geendet hat, folgt der Epilog mit einem ebenso unverständlichen Ergebnis. Aber wie heißt es so schön: "Zweifach, nicht einfach ist die Wahrheit".
Stilistisch ist der Roman sehr durchwachsen. Auch wenn es Tillmanns immer gelingt, das maraskanische Flair zu transportieren, ist die Entwicklung des Plots nicht so gelungen. Er versucht sich an der Wahl verschiedener Perspektiven, wie sie in zahlreichen Romanen der letzten Jahre verwandt wird. Leider ist er hier in meinen Augen weniger erfolgreich. Dies könnte daran liegen, dass die Szenen einzeln hinzugefügt werden und keinen weiteren Handlungsstrang bilden. Der Tod dreier Hexen beispielsweise bleibt aventurisch sinnlos, oder zumindest erfährt der Leser nichts darüber. Die Szene erscheint überflüssig und ihre Verknüpfung mit der übrigen Geschichte konstruiert.
Ein gelungenes Beispiel hingegen stellt Brindijins Exkursion nach Tuzak dar. Diese Episode ist auf jeden Fall sehr farbenfroh und schön zu lesen. Leider werden die detektivischen Bausteine, die der Protagonist hier erfährt, nur rudimentär behandelt, aber immerhin ist die Episode angemessen in die Geschichte eingebettet. Die Magier der Schule von Tuzak und vor allem die kleine Rebellin Omnalusab illustrieren den Widerstand der Maraskaner ebenso drastisch wie eindrucksvoll.
Von eher skuriller Art ist die garethische Gelehrte Doktor Drosophila. Tillmanns nutzt sie gekonnt, um die Unterschiede zwischen den Kulturen herauszuarbeiten. Dennoch wünscht man sich, der Autor hätte den Namen der Insektenkundlerin mit etwas mehr Bedacht gewählt. Gleichwohl fügen sich die abstrusen Lebensumstände der Garethja nahtlos in den Gemütszustand der Reisenden, die zu diesem Zeitpunkt bereits kurz davor sind, den Verstand zu verlieren.
Fazit:
Markus Tillmanns gelingt es einen Roman zu schreiben, der zuverlässig das Flair der Insel Maraskan und seiner verwirrenden Philosophie transportiert. Leider bleibt die Geschichte dabei mehr als einmal auf der Strecke. Man hat das Gefühl, der Dschungel habe einem bereits den Verstand verwirrt. Das Bemühen des Autors ist dabei deutlich sichtbar, doch ergeben die literarischen Techniken kein schlüssiges Gesamtbild. Letztlich verliert sich der Autor in Mystik und maraskanischem Flair. Dies wird die treuen Freunde der Insel wohl zufrieden stellen, doch andere Leser sollten lieber abwarten, ob Markus Tillmanns seine Schwächen auf diesem Gebiet nicht noch etwas ausbügeln kann. Mir ist das eindeutig zu wenig, deswegen erhält Maraskengift von mir nur auch nur 5 Punkte.