Benutzer:StipenTreublatt/Mülheimer Runde/Chronik 1018/Travia bis Phex (Leomir)

Mülheimer Runde

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1018 BF (25 Hal) Bearbeiten

Travia Bearbeiten

Visionssuche
Am Tag, als die anderen Fasar Richtung Punin verließen, erwachte Leomir auf einer harten Pritsche in einem karg eingerichteten Raum im Kortempel. Melek brachte ihm hin und wieder Brot und Wasser, aber der Gelehrte war kaum ansprechbar, sondern verschlief fast den ganzen Tag. Am nächsten Morgen, es war der 12. Travia, der Tag der Treue, ging es ihm schon wesentlich besser, auch wenn die Prellungen und Bisswunden noch mehr als deutlich zu sehen waren. Er machte sich auf, das Gebäude zu erkunden und begegnete dabei Melek, der ihn überrascht ansah. Er reichte ihm das Frühstück und trug ihm auf, danach ins Allerheiligste zu kommen.
Als Leomir dorthin kam, kraulte Melek gerade den Panther, so dass Leomir sich zunächst nicht näher traute. Dann aber befahl ihn Melek für die Visionssuche zu ihm zum Alter, und Leomir gehorchte. Der Geweihte ritzte ihnen beiden die Arme und vermengte unter Anrufungen Kors ihr Blut. Den Dolch schwenkend und immer mehr Blut aus Leomirs Arm herauspressend, steigerte sich Melek immer mehr in den Rausch, brüllte herum und fing schließlich wirr an zu reden, als befände er sich in einer Schlacht. Leomir sank schließlich immer noch blutend und schwach neben ihm nieder, während der Richter der Neun Streiche seine Arm wie mit einem Schraubstock auf dem Altar festhielt. Während er da so kniete, näherte sich ausgerechnet der Panther dem Gelehrten. Der konnte sich vor Schreck gar nicht mehr bewegen, aber die Katze leckte ihm nur über das Gesicht und verschwand dann wieder.
Schließlich schrie Melek triumphierend auf, dass er jetzt die Antwort habe, sie klar und deutlich vor sich sehe. Er riss Leomir hoch, zog ihn neunmal an seinem Arm nach oben, dass er den Boden unter den Füßen vorlor und schleuderte ihn dann einfach von sich. Der Gelehrte klatschte auf den Boden, wo er zunächst einmal liegen blieb, während Melek im Raum hin und herlief und gegen unsichtbare Gegner kämpfte. Als er sich den vier Schritt langen Speer von der Wand nahm und damit herumfuchtelte, rettete sich Leomir an eine der Wände und verharrte dort, in der Hoffnung, dass es bald vorbei war.
Tatsächlich wurde der Geweihte bald darauf ruhiger, und er kniete vor dem Altar nieder, bettete die Stirn darauf und damit auch in ihr beider Blut und verharrte dann so - für einige Stunden. Hungrig und erschöpft wartete Leomir, bis er sich endlich wieder regte. Melek schnappte sich Leomir und schleifte ihn zurück in die karge Kammer, wo er ihn auf die Pritsche warf und ihm befahl, sich gefälligst mit dem Gesundwerden ein wenig anzustrengen, die Götter hätten noch einiges mit ihm vor. Leomir nickte nur abwesend und rollte sich zusammen, um in einen tiefen Schlaf zu fallen.

Heute hat mir der Gnadenlose eine überwältigende Vision gewährt: Glorreiche Zeite liegen vor uns! Glorreiche Zeiten für all die, die mutig genug sind, für ihre Überzeugungen zu kämpfen und zu sterben. Die Schwachen werden vergehen, aber die Starken werden standhalten! Schnitter, ich danke dir!

– Melek ibn Cherek, Tagebuch 1018 BF

Werde gesund - aus eigener Kraft!
Acht Tage verbrachte Leomir in der Kammer, aber seine Wunden wollten einfach nicht verheilen. Zwar fühlte er sich schon wieder deutlich kräftiger, aber die Bisswunden brachen immer wieder auf und bluteten in die einfachen Verbände, die Melek ihm angelegt hatte. Der Geweihte wurde immer zorniger, und schließlich stauchte er den Gelehrten zusammen, sich gefälligst am Riemen zu reißen. Er erklärte ihm, er müsse die Heilung als Kampf gegen die Wunden sehen und seine eigene Schwäche niederprügeln, denn das sei die Prüfung, die ihm Kor auferlegt hatte. Leomir flehte ihn an, gehen zu dürfen, da er in diesem Raum niemals gesund werden könnte, aber Melek machte deutlich, dass er den Tempel nicht eher verlassen durfte, als dass er geheilt war.
Leomir brütete noch eine Weile wütend vor sich hin, bis er abends einschlief. Er hatte einen Traum, in dem er durch den Tempel irrte, auf der Suche nach einem Ausgang, fest entschlossen, keinen Augenblick länger an diesem Ort zu verweilen. Da stellte sich ihm eine Gestalt in einer dunklen Kutte in den Weg um ihn aufzuhalten. Leomir schrie zornig auf und begann, mit seinem Stab auf die Gestalt einzuprügeln, aber diese trug den gleichen Stab, den auch er besaß, und machte es ihm nicht leicht. Schließlich verloren beide ihre Stäbe, und der Kampf ging mit Dolchen weiter. Als sie auch diese verloren hatten, begannen die Kontrahenten, aufeinander einzuprügeln. Leomir gelang es, die Gestalt in den Schwitzkasten zu bekommen, und er würgte sie wütend, bis sie keinen Widerstand mehr leistete. Als er nachsah, um wen es sich handelte, blickte er in sein eigenes Antlitz. Zu allem Übel war just in diesem Augenblick auch noch das Fauchen eines Schwarzen Panthers zu hören, der über ihm stand und ihn herausfordernd anblickte.

Wenn Schwarz-Rot Bedrohung ist, ist Hilfe Rot-Schwarz dann.

– Unbekannter Autor, nicht datiertes Pergament in der Silem-Horas-Bibliothek zu Selem

Lass mich endlich gehen!
Entsetzt und schweißgebadet erwachet Leomir daraufhin in seiner Kammer. Nachdem er sich ein wenig beruhigt hatte, raffte er seine Sachen zusammen und machte sich auf den Weg aus dem Tempel, entschlossen, keinen Tag länger hier zu verweilen; sollte Melek doch toben. Er gelangte unbehelligt bis zum Ausgang, aber der wurde von mehreren schweren Riegeln gehalten, die Leomir allein unmöglich bewegen konnte. Wütend und verzweifelt schrie er, man solle ihn rauslassen, und trat gegen die Tür, bis sich dem tobenden Kartographen eine Hand im Panzerhandschuh auf die Schulter legte und er herumgerissen wurde. Vor ihm stand der Richter der Neun Streiche, der ihn nun hochhob und gegen die Tür drückte. Als Leomir ihn anschrie und beschimpfte, drückte der Geweihte zu und würgte Leomir. Währenddessen prüfte Melek seine Wunden - und nickte, als er sah, dass die Wunden des Kampfes gegen den Panther endlich verheilt waren. Er ließ Leomir wieder zu Boden, der nach Luft rang. Dann bedeutete er ihm zu folgen, und Leomir taumelte hinter dem Geweihten her in die Rüstkammer des Tempels.
Dort trug ihm Melek auf, sich gefälligst eine Rüstung zu suchen. Er warnte ihn, dass er jetzt unter dem Schutz der Kor-Kirche in der Stadt stünde und sich gefälligst entsprechend verhalten sollte. Sollte ihn noch einmal jemand mit dem Stab aber ohne die Rüstung erwischen, würde er kein zweites Mal Gnade zeigen. Leomir nickte beklommen und nahm sich eine schwarz-rote Lederrüstung - das dünnste, was er finden konnte. Der Geweihte fragte ihn nach seinem Namen, aber Leomir schüttelten nur mit dem Kopf, den würde er sich doch eh nicht merken. Melek brummte zustimmend, da blaffte der Gelehrte ihn wütend an, dass er ja ohnehin nur Menschen wahrnahm, die möglichst viel Blut vergossen, der Rest war ihm doch egal. Dass zum Beispiel auch viele Vorschläge zur Verbesserung der Verteidung Mherweds auch von ihm gekommen waren, hatte Melek ja überhaupt nicht mitbekommen. Während Leomir sich in Rage redete, wurde Meleks Grinsen immer breiter, woraufhin der Kartograph noch wütender wurde und ihn anschrie, ob er ihn denn jetzt noch nicht genug gequält hatte. Konnte er ihn denn nicht einfach in Ruhe einen Gelehrten sein lassen? Als Leomir endlich die Luft ausging, meinte Melek, er wäre ja vielleicht doch gar nicht so ohne, klopfte ihm auf die Schulter, führte ihn zum Hauptportal und ließ ihn dort hinaus - jedoch nicht ohne sich seinen Namen nennen zu lassen.

"Meintest du, körperliche Stärke und Kampfkraft allein würden dich Kor würdig machen? Weit gefehlt! Ich kenne einen Gelehrten, der hat mehr Mut bewiesen als du! Deine Anwesenheit allein ist eine Beleidung Kors! Und nun geh, schnell, bevor ich dir das Herz aus dem Leib reiße!"

– Melek ibn Cherek, Ablehnung eines Geweihten-Anwärters 1019 BF

Wie - alle weg?
Leomir irrte ein wenig durch die Stadt und versuchte, sich in das Stadtviertel mit der Karawanserei durchzuschlagen, im Glauben, seine Freunde würden dort immer noch warten, hatte aber keinen großen Erfolg. Dann aber traf er auf eine Gruppe Söldner der tulamidischen Reiter (aber zu Fuß), die ihn erfreut als Koranhänger in der Stadt begrüßten. Er plauderte ein wenig mit ihnen und fragte dann nach der Karawanserei Habled ben Chereks. Daraufhin nahmen ihn die Söldner mit zu ihrem Hauptquartier, wo sie sich Pferde besorgten und mit ihm dann ins Sarjabansarai ritten, was erstaunlich schnell ging, gingen ihnen doch die meisten Menschen aus dem Weg. Unterwegs wusste Leomir die Söldner mit Erzählungen aus dem Khômkrieg davon zu überzeugen, dass er die Tracht, die er trug, wirklich verdient hatte, auch wenn er auf den ersten Blick nicht so aussehen mochte.
Nach seiner Ankunft erkundigte er sich sofort nach seinen Freunden - und erfuhr, dass der Großteil schon vor über einer Woche mit einer Karawane abgereist war, wohl über den Raschtulswall. Nur die zwei Novadis waren noch eine Weile hier gewesen, dann aber von einem Tag auf den anderen nicht mehr aufgetaucht. Leomir machte sich Sorgen und beschloss, am nächsten Tag nach Kazan und Nasreddin zu suchen, ehe er sich an seine Aufgaben machte.
Als Leomir am nächsten Morgen sein Frühstück einnahm, betraten ausgerechnet Birshen und Onchabeth die Karawanserei. Besonders Onchabeth schien sich sehr zu freuen, ihn wiederzusehen. Als Birshen nach den anderen fragte, erklärte er, dass die alle gegangen oder verschwunden waren. Daraufhin wollten ihm die beiden Achmad'sunnis helfen, die beiden Novadis zu finden und nahmen sich ein Zimmer. Danach erkundigte sich Birshen sofort, wo das Novadiviertel Fasars lag, und die drei machten sich auf nach Yol-Rastullah ganz im Süden. Dort erkundigten sie sich den verbleibenden Tag über nach den beiden, konnten aber nichts in Erfahrung bringen, so dass sie am Abend enttäuscht in die Karawanserei zurückkehrten.
Birshen sandte Onchabeth nach dem Abendmahl auf ihr Zimmer und bat Leomir, noch ein wenig mit ihm üben zu dürfen - auf seinem Zimmer. Leomir stimmte zu und wunderte sich, als sie die Frau dort plötzlich zu entkleiden begann. Die Idee, dass Birshen rahjanische Gedanken haben könnte, schien ihm so absurd, dass sie ihm nicht in den Sinn kam, sondern er stattdessen vermutete, er hätte sie falsch verstanden, und sie wollte statt mit den Waffen zu üben, Ringen üben. Was die Achmad'sunni wirklich im Sinn hatte, wurde ihm erst klar, als sie sich an ihn drückte und anfing, ihn leidenschaftlich zu küssen. Vorsichtig versuchte Leomir ihr klar zu machen, dass seinerseits kein Interesse bestand. Sie zog sich enttäuscht zurück, aber er legte ihr eine Decke um die Schulter und setzte sich mit ihr auf sein Bett, um deutlich zu machen, dass er sehr wohl aber als Freund für sie da sein wollte, wenn sie sich allein fühlte. Tatsächlich ließ sich die ältere Frau eine Weile von ihm trösten.
Dann aber kam Onchabeth herangestürmt, und Birshen warf Leomir schnell auf den Rücken, um wenigstens den Anschein zu erwecken, sie wären am Üben. Onchabeth schleifte stolz einen abgerissen wirkenden Kerl herein - ein Dieb, den sie "gefangen" hatte. Daraufhin zogen die beiden Frauen ab, um den Mann zu Habled ben Cherek zu bringen, und Leomir schloss erleichtert die Tür hinter ihnen.
Dann machte er sich noch auf in den kleinen Phextempel der Karawanserei. Im Vorraum saß ein Geweihter, der seine Spende entgegen nahm und seinen Namen in eine Liste eintrug. Nebenan gab es einen kleinen Raum, in dem lautstark selbst um diese Tageszeit Geschäfte abgeschlossen wurden. Leomir lehnte ab, dort hinein zu gehen, sondern wandte sich stattdessen dem Allerheiligsten zu, wo ein Händler vor der kleinen Fuchsstatuette stand und augenscheinlich mit dem Gott feilschte, während ein zweiter Geweihter an einem Schreibtisch dabei war, Geld zu zählen. Diesen fragte der Gelehrte, wie er am einfachsten zum großen Feqztempel der Stadt gelangen konnte, zahlte, erhielt seine Information und flüchtete schnell wieder, fühlte er sich doch in einem Händlertempel wie diesem eher unwohl.

"Fasar. Die letzte große Stadt, aus der wir Hilfe erhalten könnten. Lass uns zuerst Kazan und die anderen suchen."
"Hoffentlich ist Leomir auch da!"

– Birshen und Onchabeth, Gespräch 1018 BF

Kazan, der alte Angeber
Am nächsten Tag lief Leomir erneut mit Birshen und Onchabeth durch Yol-Rastullah und fragte nach Kazan und Nasreddin. Da hörte er plötzlich aus einem Hinterhof das Gespräch zweier Händler, das ihn aufhorchen ließ. Erst Augenblicke später erkannte er warum: Stimme und Art zu Sprechen des einen kannte er von Nasreddin. Schnell lief er dazu - es war tatsächlich Nasreddin, den er freudig begrüßte, den Göttern dankend, dass es ihm gut ging. Nasreddin war ein wenig verwirrt, aber nachdem Leomir ihm erklärt hatte, dass er sich Sorgen gemacht hatte, weil es hieß, sie seien plötzlich verschwunden, berichtete Nasreddin kurz davon, wie er und Kazan ins Novadiviertel gegangen waren, wo Kazan sich recht schnell mit seiner Angeberei und seinen Kampfkünsten Respekt verschafft hatte, so dass er jetzt als Ausbilder für Sultan Malik Bey ibn Hachir Bey arbeitete. Auch er, Nasreddin, fand mittlerweile sein Auskommen beim Sultan, weswegen er jetzt leider gehen musste. Schnell bat Leomir ihn noch, Kazan Bescheid zu geben, dass er in der Karawanserei auf ihn warten würde, dann eilte der Händler auch schon davon, und die drei kehrten nach Sarjabansarai zurück.
Den restlichen Tag wartete Leomir ungeduldig, bis abends endlich Kazan zu ihm kam. Bei einigen Bechern schweren Fasarer Weins erzählte der Novadi ihm mehr davon, wie er es in die Dienste Malik Beys geschafft hatte, indem er einigen wichtigen Leuten des Sultans Nase und anderes gebrochen und ein wenig seine Rolle im bisherigen Khômkrieg unterstrichen hatte. Jetzt versuchte er langsam, den Sultan dazu zu bringen, in den Krieg einzugreifen, was nicht leicht werden würde, handelte es sich doch um einen selbstsüchtigen, raffgierigen Mann; aber es schien auch nicht unmöglich.
Zu später Stunde klagten sich die beiden Männer gegenseitig mit schwerer Zunge ihr Leid: Leomir fühlte sich allein gelassen; alle, die er für seine Freunde gehalten hatten ihn hier allein gelassen, weil sie Wichtigeres zu tun hatten, als einem Freund beizustehen - selbst Nostromo, der für ihn wie ein Bruder geworden war! Kazan erging es auch nicht besser, hatte er doch all seine Freunde und Verwandten im Krieg verloren. So verbrüderten sich die beiden, lagen sich in den Armen und versicherten sich, der jeweils beste Freund des anderen zu sein, bis sie müde vom vielen Wein zusammensanken und einnickten. Am nächsten Morgen erwachten sie mit einem vertiablen Kater und Kopfschmerzen und kamen nicht aus dem Bett.

Die Kriegserfahrungen dieses Kazan sind wirklich von unschätzbarem Wert für mich, besonders sein Wissen über die mittelländische Art des Kriegführens. Sollte es dazu kommen, werden mich die anderen Erhabenen nicht mit so etwas überraschen können.

Malik Bey ibn Hachir Bey, Tagebuch 1018 BF

Boron Bearbeiten

Mehr Gold müsste man haben
So konnte Leomir erst zwei Tage später den Tempel des Feqz im Stadtteil Yol-Fessar besuchen. Die mit Silber und Türkisen geschmückte ehemalige Festung war auf dem Hügel schon von weitem zu erkennen, so dass Leomir zielstrebig daraufzuhalten konnte. Ehe er ankam, hielt ihn jedoch die Garde des Fürsten von Fasar, Khajid ben Farsid an und verlangte ein Goldstück Zoll von dem Koranhänger. Zähneknirschend bezahlte Leomir und machte ab sofort wo es ging einen Bogen um die Leute. Am Tempel musste er erneut zahlen, um seinen Stab in Aufbewahrung zu geben, den er nicht mit in den Tempel nehmen durfte - dafür sorgten die bewaffneten Tempelwachen.
Überrascht stellte er fest, dass auch im dunklen und verschachtelten Inneren viele Bewaffnete unterwegs waren. Er sah sich in aller Ruhe um, spendete und sprach dann schließlich eine (hoffentlich) unbewaffnete, verschleierte Gestalt an. Er erklärte, dass er gerne mehr über die Geschichte des Feqz-Glaubens und die frühe Geschichte zu Zeiten Bastrabun al'Sheiks und Rashtul al'Sheiks erfahren würde. Der jungen Frau entschlüpfte ein überraschtes "Oh!", und sie führte ihn zu einem Geweihten, der in einem abgelegenen Raum meditierte. Die Verschleierte sprach den Priester vorsichtig an und erläuterte ihm Leomirs Anliegen. Daraufhin durfte Leomir also einem Geschichtskenner lauschen - solange er Silbertaler nachlegen konnte.
Als Leomir nicht mehr zahlen konnte, kam das Gespräch darauf, wie er gedachte, wieder an Geld zu gelangen, und der Gelehrte bot sich als Lehrer aller möglichen Wissenschaften, des Stabkampfes und des Ringens an, sowie als Kartograph. Der Geweihte nickte und bot ihm seinerseits an, für fünf Silber am Tag der Novizin neben ihm (der jungen Frau, die er zuvor angesprochen hatte), Unterricht zu geben. Als Leomir hinzufügte, dass er sich auch auf dem Gebiet der Kryptographie auskannte (wenn auch zugegebenermaßen nur theoretisch), verdoppelte der Geweihte sein Gehalt und meinte, der Unterricht könne sofort losgehen.
Also nahm die Novizin Leomir mit auf ihr Zimmer, wo sie die nächsten Stunden mit dem Unterricht verbrachten. Am Abend kehrte Leomir in den Raum mit dem Geweihten zurück, traute sich aber nicht, diesen in seiner Meditation zu stören. Schließlich hob der die Arme in einer meditativen Geste nach oben, und in seinen Händen lag Leomirs Lohn, den dieser schnell an sich nahm.
Am nächsten Morgen kehrte Leomir gegen Mittag in den Feqztempel zurück, wo er an der Tür der Novizin klopfte, die ihn herein bat. Er betrat den Raum - und erblickte die junge Frau unverschleiert am Fenster. Die erschrak, als sie erkannte, dass es sich nicht wie erwartet um ihren Lehrmeister handelte und verhüllte sich schnell, aber Leomir hatte auch so schon genug gesehen - unattraktiv war sie sicher nicht. So machte es ihm gleich viel mehr Spaß, die nächsten Tage mit seiner Schülerin Fayrishe über allerlei theoretischen Dingen zu verbringen. Zwölf Tage füllte der Gelehrte auf diese Weise seinen Geldbeutel (wobei er den 1. Boron ausließ).

Seit einigen Tagen werde ich nun schon von Leomir unterrichtet, einem Mann, den mein Lehrmeister angeheuert hat, damit er mir Dinge beibringt, die mein Lehrmeister wohl nicht so gut beherrscht. Ich muss sagen, es fällt mir manchmal schwierig, mich zu konzentrieren, denn schlecht sieht Leomir gewiss nicht aus! Aber das gehört ja auch zur Ausbildung dazu, sich nicht von Äußerlichkeiten blenden zu lassen. Und ich werde Feqz Grund dazu geben, auf mich stolz zu sein!

– Fayrishe, Tagebuch 1018 BF

Eine Reise durch die Geschichte
Am letzten Tag ihres Unterrichts, als sich Leomir von Fayrishe verabschiedete, fragte sie ihn, ob er immer noch die Orakelsprüche von Fasar suchte, und erklärte ihm dann, dass es sich um verschiedene Sprüche handelte, die man an allen Ecken Fasars in allen möglichen Variationen kaufen konnte. Niemand wusste mehr, wie die wirklichen Sprüche einst gelautet hatten, obwohl es natürlich jeder von sich behauptete. Leomir beschloss deprimiert, diese Angelegenheit erst einmal ruhen zu lassen.
Stattdessen befragte er Fayrishes Lehrmeister erneut nach den Hinterlassenschaften Bastrabuns in Fasar. Nachdem er dem Geweihten als Gegenleistung von dem alten Ritualplatz in Mherwed erzählt hatte, erklärte der ihm, dass sich unter der heutigen Stadt noch viele Schichten früherer Zeiten befanden. Diese Schichten wurden Al'Tacht ("Das Unten") genannt und reichten teilweise bis zu vierzig Schritt in die Tiefe. Unter den Kellern heutiger Häuser konnte man zunächst Hinterlassenschaften aus der Zeit Raul von Gareths finden, dann folgten die Schichten des Diamantenen Sultanats und der Magiermogule. Unter diesen sollte schließlich die Schicht der frühen Tulamiden liegen, und man munkelte, dass noch viel tiefer Ruinen der Echsenzeit liegen sollten...
Begeistert erklärte Leomir, dass er vorhatte, in die Zeit der frühen Tulamiden hinab zu steigen, woraufhin ihm der Geweihte Fayrishe mitgab, die ihn begleiten und ihm helfen sollte. Den nächsten Tag verbrachten die beiden damit, sich auszurüsten, ehe es dann am Mittag des 9. Boron losging. Sie marschierten zusammen nach Yol-Ifriitim, wo die Ruinen aus der Raulszeit freilagen und suchten dort nach einem lange nicht benutzten Eingang, fanden aber erst nach zwei Tage Suche etwas.

Al'Tacht. Nur wenig, was über diese Schichten unter Fasar in Erfahrung zu bringen ist, ist gesichertes Wissen; allein ihre Existenz, und dass Teile davon immernoch genutzt werden, kann als belegt gelten. Die Auswertung von Reiseberichten, sowie die Korrespondenz mit dem Fasarer Avestempel, haben in mir die Überzeugung reifen lassen, dass es an der Zeit ist, eine ordentlich ausgerüstete Expedition gen Fasar zu entsenden, mit dem Ziel, endlich Licht in das Dunkel des Al'Tacht zu bringen! Im Folgenden werde ich darlegen, wie ich zu dieser Überzeugung gekommen bin.(...)

– Honoria di Pechstein, Vortrag an der Avesschule der Herzog-Eolan-Universität 1015 BF

Die Zeit Raul von Gareths
Es wurde schon fast dunkel, und die beiden standen kurz davor, wieder nach Hause zu gehen (denn niemand bei Verstand blieb über Nacht in Yol-Ifriitim), als Leomir darauf bestand, noch einen alten Turm in Augenschein zu nehmen, der halb eingestürzt war. Fayrishe kletterte über den Geröllhaufen auf den Turm und ließ Leomir an einem Seil hinterher klettern. Oben stemmten sie gemeinsam über Hebel einen großen Stein beseite, der eine Luke blockierte, die tiefer hinabführte. Sie kletterten hindurch - und stolperten fast in ein Skelett hinein. Der Tote schien es sehr eilig gehabt zu haben, nach oben zur Luke zu kommen, ehe er von herabstürzenden Steinen erschlagen wurde. Sie kletterten weiter hinab, als Leomir plötzlich ein Prickeln im Nacken spürte. Er blickte zurück und sah über sich ein durchscheinendes Gesicht durch die Decke schauen.
Schnell eilten er und Fayrishe weiter hinab, bis sie in einen steinernen Keller kamen. Ein Gang führte weiter zu mehreren Kerkerzellen, aber nach der Begegnung mit dem Geist hatten weder Leomir noch die Novizin Interesse daran, diese weiter zu erkunden. Im festen Vertrauen darauf, dass es einen anderen Weg geben musste, untersuchten sie die Wände des Turms. Tatsächlich fand Leomir kurz darauf eine Geheimtür, die sich wohl früher einmal hatte beiseite schieben lassen. Jetzt aber rührte sie sich nur noch ein wenig und gab den Blick auf einen Gang dahinter frei. Füchschen Fayrishe hatte keine Probleme damit hindurchzuschlüpfen, aber Leomir war doch schon zu breit gebaut dafür, so dass er stecken blieb. Fast eine halbe Stunde lang mühte sich Leomir ab, sich hindurchzuwinden, unterstützt von Fayrishe, bis er endlich etwas zerrupft auf der anderen Seite ankam.
Sie folgten dem Gang eine Weile, bis er in einen Raum mündete, wo ein Loch weiter in die Tiefe führte. Klettereisen an einer Seite des Schachts wiesen darauf hin, dass dieser Gang noch vor nicht allzu langer Zeit wohl von einer Räuberbande oder ähnlichem Gesindel genutzt worden war, welches einen Unterschlupf unter Fasar gehabt hatte. Die beiden beschlossen erst einmal zu schlafen, wobei immer einer von beiden Wache hielt.

"Die beiden sind in den Turm gestiegen, sagst du?"
"So ist es."
"Na gut. Da ist bisher noch keiner wieder herausgekommen."

– Dscherid und Murak, Gespräch in Yol-Ifriitim 1018 BF

Hinterlassenschaften alter Mächte
Am nächsten Tag stiegen die beiden eilig den Schacht hinab und staunten nicht schlecht, als sie die Abwässerkanäle der Zeit des Diamantenen Sultanats betraten - die mit Marmor verkleidet waren. Eine ganze Weile irrten sie durch die ewig gleichen Kanäle, wobei Leomir sich grob einen Plan aufzeichnete, um nicht die Orientierung zu verlieren. Schließlich fanden sie eine Rampe, die weiter hinab führte, aber dadurch gelangten sie nur in die untere der beiden Ebenen dieser Abwässerkanäle, wo sie weitere Stunden herumirrten und nach einem Weg weiter hinab suchten.
Als die beiden endlich einen Abstieg gefunden hatten, waren sie nicht sicher, ob sie darüber wirklich glücklich sein sollten, hatte doch Fayrishes Lehrmeister davor gewarnt, dass der Horizont der Magiermogule der gefährlichste von allen sein sollte. Vor ihnen führte ein Loch in die Tiefe, dessen Ränder aufgebogen waren, als hätte sich etwas von unten mit Gewalt befreit. Die Wände des Schachts sowie die nähere Umgebung waren rußgeschwärzt. Leomir und Fayrishe zogen sich etwas zurück und rasteten dann noch einmal, denn Leomir wollte die nächsttieferliegende Schicht so schnell wie möglich und ohne Rast durchqueren.
Als die beiden schließlich hinab stiegen, wurde es noch schlimmer: Das Loch führte in einen abgeschlossenen Raum, in dem einmal große Hitze geherrscht haben musste, denn in der Mitte des Raumes gab es ein Erhebung aus Stein, der so aussah, als wäre er einmal flüssig gewesen. In einer der Wände entdeckten sie einen menschenförmigen Umriss, der mit der Wand verschmolzen war. Zu ihrer Enttäuschung war auch die Steintür mit den Wänden um sie herum verschmolzen, und nur noch ein paar Ritzen waren frei geblieben. Durch diese fiel auf einmal ein fahles blaues Licht, so dass Leomir schnell ihre Laterne verschloss, um sie nicht zu verraten.
Dennoch kamen weiterhin Schritte näher, und die Stärke des Lichts nahm zu. Beide hielten einen Augenblick den Atem an, als schließlich die Quelle des blauen Leuchtens - ein weiterer Geist - einfach durch die Tür trat und beide unter der Kapuze hervor ansah.

Heute nacht hat in Yol-Ifriitim die Erde gebebt. Zuerst war ich besorgt, im Archiv habe ich dann allerdings Berichte über frühere, ähnliche Ereignisse gefunden. Na dann. Vielleicht sollte ich aber doch bald mal wieder auf Reisen gehen.

– Tajo Rotgefieder, Aves-Tempelchronik Fasar 356 BF

Tubalkain und ein unmögliches Versprechen
Der Geist hegte aber keine feindlichen Absichten, sondern unterhielt sich ein wenig mit Leomir, während Fayrishe die Übelkeit plagte. So erfuhr Leomir, dass der Geist einst ein Magier gewesen war, der seinen Meister Tubalkain hatte betrügen wollen und zur Strafe mit einem Dämon in diesen Raum gesperrt worden war. Lange Zeit hatte ein Kräftegleichgewicht geherrscht, bis der Dämon schließlich durch das Nachlassen des Banns Tubalkain stärker geworden war und der Magier verloren hatte. Er war sich sicher, dass Tubalkain noch am Leben sein musste, denn sobald dieser starb, wäre auch er erlöst. Leomir versprach ihm, Tubalkain zu finden und zu beseitigen, wenn er ihnen dafür ein wenig half und ihnen verriet, wie sie in tiefere Schichten vordringen konnten.
Daraufhin trat der Geist einfach die Tür ein, um Leomir und Fayrishe den Weg frei zu machen und besänftigte auch noch einen Steingolem, der in einiger Entfernung bereit stand, die beiden zu töten. So konnten Leomir und seine Begleiterin durch den riesigen Palast des Magiermoguls streifen. Dabei gingen sie äußerst vorsichtig vor, um weiteren Fallen auszuweichen, was sie aber auch viel Zeit kostete, so dass sie doch eine Rast einlegen mussten. Während Fayrishe sich ausruhte, hielt Leomir Wache und hörte ein Rascheln in der Nähe. Als er nachsah, entdeckte er eine Ratte - tief unten in den Katakomben, wo es sonst nichts Lebendes außer ihnen beiden zu geben schien. Der Gelehrte nahm sich vor, noch wachsamer zu sein.
Als sie nach der Rast weiter hinabstiegen, fanden sie endlich eine Treppe, die in den Keller des Palastes zu führen schien. Davor war jedoch ein Heptagramm im Boden eingelassen. Leomir versuchte, sich vorsichtig vorbeizudrücken, aber alles nützte nichts: Plötzlich erglommen die Linien des Heptagramms in einem schwachen Licht. Die beiden suchten das Weite und versteckten sich hinter einer Ecke, von wo aus sie beobachteten, wie schließlich eine kleine, hutzelige Gestalt erschien - ein Dämon, der den Zugang zu den Katakomben bewachen sollte. Dazu stellte er Leomir eine Frage, die dieser beantworten sollte, ehe er die Treppe hinabsteigen durfte. Obwohl der Dämon seiner Meinung nach schon einfache Aufgaben stellte, verzweifelte Leomir an diesen, war der Fragesteller doch davon ausgegangen, dass, wer immer hier Einlass begehrte, auch über das Wissen der Zeit der Magiermogule verfügte. Mit ein wenig Hilfe des Dämons, der seine lange Bindung mittlerweile leid war und einen gehörigen Hass auf seinen Beschwörer hatte, fand Leomir schließlich doch eine Antwort, und der Dämon ließ ihn hinabsteigen.

"Wie heißt die liebste Geliebte meines Meisters? Na komm schon, das weißt du doch bestimmt! Sein liebster Freund? Sein ärgster Feind? Gar nix?! Komm schon! Was weißt du überhaupt!"

– unbekannter Dämon, Gespräch mit Leomir 1018 BF

Ein wenig Zerstreuung für Tubalkains Gäste
Unten gelangten Leomir und Fayrishe in einen Rundgang, der um eine große innen gelegene Kammer herumzuführen schien. Nach außen hin führten einige Türen weg. Da die Türen zur inneren Kammer verschlossen waren, sahen die beiden sich zunächst die äußeren an. Diese schienen von Tubalkain angelegt worden zu sein, um seine Gäste zu beeindrucken. So fanden die beiden eine Kammer, in der eine Illusion des Magiermoguls leere Sockel anpries - seiner Rede nach zu urteilen hatten hier einmal seine besten Artefakte gelagert. In einem weiteren Zimmer fanden die beiden die verschimmelten Reste edler Stoffe - sowie Illusionen von Menschen, die rahjagefälligen Dingen nachgingen. Ein anderes Zimmer wurde fast zur Gänze von einem Becken ausgefüllt, in dem früher einmal Wasser gewesen sein musste - jetzt war dort nur ein Skelett zu finden. Bei sich hatte es noch ein Artefakt, aber da Tubalkain darauf hingewiesen hatte, dass es Dieben sehr schlecht erginge, ließen die beiden Phexanhänger das Ding doch lieber liegen.
Schließlich landeten die beiden in kleinen Raum, wo sich eine Klappe vor ihnen in der Wand öffnete und den Blick hinab auf eine Art Arena oder Theater freigab. Dieses war zur Hälfte eingestürzt aber nichtsdestotrotz immer noch beeindruckend groß. Während die beiden die Architektur bestaunten, grub sich eine grob menschenähnliche Gestalt aus den Trümmern im Schatten, angezogen von ihrem Geruch - ein Ghul!
Leomir, der schon einmal mit einem Ghul zu tun gehabt hatte, schob Fayrishe schnell wieder zurück, zumal sich noch weitere der Biester aus den Trümmern gruben. Er schickte die Novizin, Parfüm aus dem "Rahjaraum" zu holen, während er selbst vor der Tür Wache hielt. Gerade rechtzeitig kehrte die junge Frau zurück, als Leomir schon von einem Ghul bedrängt wurde. Gemeinsam gelang es ihnen, die Ghule mit dem Parfüm dermaßen zu verwirren und außer Gefecht zu setzen, dass die beiden fliehen konnten.
Im "Rahjaraum" hatte Fayrishe auch einen Schlüssel gefunden, den sie nun an einer der inneren Türen probierte - er passte. So gelangten sie in einen großen Raum mit einem Schacht in der Mitte, über dem eine Plattform schwebte. Wie schon in den Räumen zuvor erschien auch hier eine Illusion Tubalkains, die den beiden erläuterte, dass der Magier von hier aus die tieferen Schichten der frühen Tulamiden erforscht hatte. Die Plattform sollte sie auf magische Weise weiter hinunterbringen können - wenn auch im Augenblick auf weitere Gefahr. Die unteren Ebenen waren gefährlich, und einige Sklaven hatten bisher den Tod gefunden. Den beiden war nicht wohl zumute, aber dennoch sahen sie darin ihre einzige Möglichkeit, weiter nach unten zu gelangen, so dass sie sich auf die Plattform begaben und sie nach Tubalkains Anleitung nach unten schickten, wo sie in einem weiteren Raum landeten, in dem ein paar Skelette herumlagen.

Leo ist wirklich ein weitgereister Mann! Sogar mit den seltsamen Kreaturen, die wir im Al'Tacht gefunden haben, wusste er umzugehen. Er nannte sie Ghule! Furchterregende Geschöpfe.

– Fayrishe, Tagebuch 1018 BF

Fast am Ziel... aber doch nicht da
Leomir war fast am Ziel: Er war jetzt in der Schicht der Zeit Bastrabun ibn Rashtuls - jetzt galt es nur noch den geheimen Ort zu finden, an dem dieser verborgen hatte, was auch immer Leomir zur Erfüllung seiner Aufgabe benötigte. Einen Weg weiter zu finden, war zunächst nicht schwierig, denn nur eine morsche Tür führte aus dem Raum. Füchschen drängte darauf, auch einmal vorangehen zu dürfen, öffnete die Tür - und schlug sie gleich wieder zu, als ihr ein aufrecht stehendes bleiches Skelett entgegen sah. Daraufhin fasste sich Leomir ein Herz, öffnete die Tür erneut und bemerkte, dass das Skelett sich nicht bewegte. Er schubste es mit seinem Stab nach hinten, so dass es umfiel, und der Gelehrte sehen konnte, dass die Knochen an einer metallenen Aufhängung befestigt worden waren, so dass es so aussah, als könnte das Skelett von allein stehen. Leomir wollte schon beruhigt aufatmen, als ein blaues Leuchten wieder seine Aufmerksamkeit auf den blanken Schädel zog, auf dem nun ur-tulamidische Schriftzeichen aufleuchtete.
Da er diese nicht lesen konnte, schüttelte Leomir nur den Kopf und stapfte dann weiter in den Gang. Es stellte sich heraus, dass sie sich erneut in einem Ganglabyrinth befanden, in dem sie tagelang herumirren konnten, ohne auch nur den geringsten Hinweis zu finden. Da Leomir keine andere Möglichkeit sah, zu seinem Ziel zu finden, begannen sie auch damit, Leomir voran, der sich Notizen machte, Fayrishe hinterher.

Aber aufregend war es da unten! Ich habe mich wie ein richtiger Entdecker gefühlt. Naja, eigentlich war ich ja auch einer! Aber viele Tote da unten, das müsste nicht unbedingt sein.

– Fayrishe, Tagebuch 1018 BF

Du bist zu dick, Leomir!
Stunden später gelangten sie an eine Stelle, an der der Tunnel eingestürzt war. Nur ein kleiner Spalt in Bodennähe war offen geblieben, durch den hindurch man sehen konnte, dass der Gang aber auf der anderen Seite weiter führte. Als Leomir näher kam, leuchteten an der Wand kurz davor erneut ur-tulamidische Schriftzeichen auf - die der Gelehrte wieder nicht lesen konnte. Er war sich aber sicher, dass sie den eingestürzten Bereich überwinden mussten.
Da der Gang wirklich sehr schmal war, ging Fayrishe vor und zwängte sich durch die Öffnung im Fels. Dann gab Leomir ihr die Laterne durch und fing an, auch ihre Habseligkeiten hindurch zu geben. Als er gerade dabei war, den Oberkörper schon in der Öffnung, vernahm er wieder ein Rascheln hinter sich. Er blickte zurück in die Dunkelheit, von wo ihn rote, kleine Punkte ansahen - die Ratten waren wieder da. Schnell fuhr er fort, Fayrishe die Sachen zu reichen, als auf der anderen Seite bei ihr plötzlich die Laterne ausging. Ängstlich hielten beide den Atem an, doch nichts geschah. Leomir spürte, dass mindestens eine Ratte sehr nah bei ihm war, doch griff sie ihn nicht an.
Schließlich zwängte auch er sich durch den Spalt - und blieb wieder stecken. Er wand und wand sich, Fayrishe zog an ihm, aber es ging einfach nicht voran. Panik erfüllte ihn, denn Fayrishe gelang es nicht, das Licht wieder zu entzünden, und er steckte in der Dunkelheit fest. Erst nach sehr langer Zeit kam Leomir endlich auf der anderen Seite aus dem Spalt, zerkratzt und geschunden. Schnell entzündete er die Laterne neu und blickte sich um - aber außer ihnen beiden war nichts zu sehen. Erschöpft ließ sich Leomir gegen den Felsen sinken und fiel kurz darauf in einen langen Schlaf.
Als er wieder erwachte, war von Fayrishe nichts zu sehen. Furcht griff nach seinem Herz, und er rief nach ihr. Zu seiner Erleichterung kam sie wenig später aus dem Gang vor ihm und erklärte, dass sie sich nur ein wenig umgesehen hatte, wie es weiterging. Ärgerlich schimpfte Leomir auf sie ein, dass sie sich irgendwo in den vielen Gängen hätte verletzen und ohnmächtig werden können, und er hätte sie vielleicht nie wieder gefunden. Fayrishe versprach kleinlaut, demnächst auf Erkundungsgänge allein zu verzichten.

"Aber der gefährlichste Gegner unseres Gottes ist der Verstoßene ohne Namen. Die gefährlichsten Angriffe des Widersachers Feqzens sind nichts im Vergleich zu der Verwüstung, die dieser Ausgestoßene und seine Anhänger entfachen könnten, würden wir nicht Wacht halten. Nun, da du in den inneren Kreis aufgenommen bist, wird es deine Pflicht sein, stets wachsam zu sein, und immer auf mögliche Umtriebe der Diener des Rattenkindes zu achten - aber sei dir dabei stets bewusst, dass seine Anhänger uns ebenfalls nach dem Leben trachten und in Hinsicht auf Verschlagenheit uns ebenbürtig sein können."

– Der Habicht, Instruktion eines neuen hochrangigen Sternschattens 1010 BF

Ein Handel, der dein Leben verändert
Als sie wieder aufbrachen, fragte Fayrishe Leomir schüchtern, ob er eigentlich eine Freundin hatte. Der Gelehrte antwortete vage, dass es wohl durchaus Frauen gäbe, die sich als solche bezeichnen würden. Die Novizin nickte, als hätte sie nichts Anderes erwartet.
Weitere Stunden marschierten sie durch die stillen, dunklen Gänge, fanden aber nichts, was ihnen einen Hinweis hätte geben können, wohin sie sich zu wenden hatten. Jeder Gang sah wie der andere aus, seit Jahrtausenden nicht mehr benutzt, und langsam begann auch Leomir, die Orientierung zu verlieren.
Schließlich hielten die beiden an, um sich kurz auszuruhen. Leomir lehnte sich an die Wand hinter ihm, und während er ausführte, dass es doch so keinen Sinn machte, weiterzusuchen, tat Fayrishe dasselbe auf der anderen Seite des Ganges - und fiel einfach nach hinten durch die Wand durch. Die Novizin verschwand, und Leomir blickte wieder auf die nackte Felswand. Vorsichtig fasste er nach der Wand, und auch seine Hand glitt einfach hindurch. Schnell trat Leomir hindurch und fand sich in einem Gang wieder, der deutlich sorgfältiger behauen worden war. Zu seinen Füßen lag Fayrishe und wimmerte. Als der Gelehrte sie untersuchte, stellte er fest, dass sie sich am Hinterkopf verletzte hatte. Ihr Blut klebte überall und bildete auch eine Lache auf dem Boden, und Leomir verfiel in Panik, war ihm doch klar, dass die Novizin sterben würde.
Verzweifelt drückte er Fayrishe an sich und versuchte zu überlegen, wie er ihr helfen konnte, aber ihm fiel nichts ein, zu beschränkt waren seine Heilfertigkeiten. Als das Füchschen schließlich in einen ruhigen Schlaf fiel, versuchte er, sich damit abzufinden, dass sie daraus wohl nie mehr erwachen würde. Das gelang ihm aber ganz und gar nicht, denn das war seine Aufgabe, und es war ihm gar nicht recht, dass sie dafür nun sterben sollte. So schlug er Phex einen Handel vor: Er sollte sein Leben nehmen, anstelle des ihren. Nichts geschah, und Leomir drückte noch eine Weile die Novizin an sich, ehe auch er vor Erschöpfung einschlief.
Als er wieder erwachte, regte sich zu seiner Freude auch Fayrishe wieder - es sah so aus, als wäre Phex auf Leomirs Handel eingegangen. Zwar überlegte er kurz, warum er dann noch am Leben war, aber andererseits war ja auch klar, dass der Gott daraus keinen Nutzen gezogen hätte. Vielmehr würde er doch jetzt verlangen, dass Leomir ihm sein Leben weihte! Aufgeregt erzählte Leomir der Novizin davon, der es schon deutlich besser ging. Die blieb etwas skeptisch, stimmte ihm dann aber zu, was seine Überlegungen anging und hieß ihn in der Phex-Kirche willkommen.

Oh, und dass er sogar bereit war sein Leben zu geben für mich, das war wirklich schön! Was für ein wunderbarer Mann.

– Fayrishe, Tagebuch 1018 BF

Am Ziel
Der Gang führte die beiden geradewegs zu einem Portal, das über nichts verfügte, mit dem man es hätte öffnen können. So sehr die beiden auch suchten, die Wände um das Portal waren glatt, so dass es keinerlei geheimen Öffnungsmechanismus zu geben schien. Nach einer Weile kamen sie darauf, dass vielleicht ein Losungswort von Nöten wäre. Leomir überlegte, was Bastrabun wohl in Bezug auf seine Aufgabe wichtig gewesen sein mochte.
"Mherwed" war das erste, was ihm einfiel, und kaum hatte er das Wort ausgesprochen, leuchtete eine Glyphe über dem Portal auf. Eifrig überlegte er weiter. "Sphärenriss" fiel ihm als nächstes ein, aber er kannte den ur-tulamidischen Begriff dafür nichts. Er schien dem tulamidischen aber sehr ähnlich zu sein, denn trotzdem leuchtete eine weitere Glyphe auf. Weitere Begriffe waren "Echse", "Dämon" und "Erste Stadt" - dazu wenigstens reichten seine Kenntnisse beziehungsweise die Worte hatten sich auch im Laufe der Jahrtausende nicht allzu sehr verändert.
Überglücklich sah Leomir zu, wie das Portal aufschwang und den Blick auf eine große Halle freigab. Diese war leer, aber in ihrer Mitte war ein Hexagramm in den Boden eingelassen. Neugierig trat Leomir hinein - und sprang weiter in die Mitte, als an drei der Ecken urplötzlich Dschinne in die Höhe schossen: ein Dschinn des Feuers blickte misstrauisch und mürrisch auf ihn herab, eine Dschinni des Humus lächelte ihm warmherzig zu, und ein Dschinn des Erzes musterte ihn gleichgültig. Die drei fragten ihn, was er hier wolle, und Leomir begann sich zu erklären. Das fiel ihm schwer, weil die Dschinne sich mit ihren Antworten abwechselten, die so unterschiedlich ausfielen. Der Feuerdschinn war überzeugt davon, dass Leomir sie nur zu täuschen versuchte, während die Humusdschinni sich sicher war, dass er der Held war, der zu sein er vorgab.

Die Dschinne! Wie wunderbar, gleich drei von ihnen! Ich habe noch nie zuvor einen echten Dschinn gesehen, und das waren gleich drei! Da war ich wirklich sprachlos. Bastrabun war ein wirklich mächtiger Mann damals.

– Fayrishe, Tagebuch 1018 BF

Von der Standhaftigkeit
Der Gelehrte ahnte, dass es nun darum ging, den Erzdschinn auf seine Seite zu ziehen, der wissen wollte, woher sie wissen sollten, ob er auch wirklich den Wille habe, seine Aufgabe auch zu Ende zu bringen. Leomir punktete, als er erwiderte, dass seine Familie seit jeher für ihre Standhaftigkeit bekannt gewesen war, lautete ihr Motto doch "constans, solidus, diligens" ("standhaft, fest, gewissenhaft"). Natürlich stand es außer Frage, dass er zu Ende bringen würde, was er begonnen hatte.
"Auch wenn es deinen Tod fordern sollte?", fragte der Feuerdschinn lauernd. Leomir zögerte einen Augenblick, ehe er auch das bejahte, schließlich ging es hier um der Götter Kampf gegen ihre Widersacher, und er hatte einen göttlichen Auftrag bekommen. So gelang es ihm, auch den Erzdschinn zu überzeugen, und auch wenn der Feuerdschinn immer noch dagegen war, reichte das doch aus.
Plötzlich fuhr eine hexagonale Stele direkt unter seinen Füßen ein Stück nach oben, so dass er Mühe hatte, nicht herunter zu fallen. Er sah sich um, konnte jedoch sonst keine Veränderung erkennen. Erst als er von der Stele stieg, erkannte er an einer der Seiten eine Vertiefung, aus der er dann einen etwa faustgroßen hexagonalen Kristall hervorholte. Als er den Kristall in der Hand hielt, erschien vor ihm ein magisches Abbild Bastrabun ibn Rashtuls, welches sofort in irrwitziger Geschwindigkeit auf ihn einredete. Leider in Ur-Tulamidya, so dass Leomir nur verständnislos den Kopf schütteln konnte. Der Ur-Tulamide redete eine ganze Weile lang, bis das Bild schließlich wieder verblasste und Leomir ratlos zurückblieb.
Hilflos wandte er sich an die Dschinne, was dem Feuerdschinn gleich wieder Nahrung gab, gegen ihn zu hetzen. Dennoch halfen ihm die anderen beiden, und die Humusdschinni erklärte ihm, wie er das Artefakt zu benutzen hatte: Er sollte in die Halle in Mherwed zurückkehren und einfach den Kristall zum Sphärenriss bringen. Das Artefakt werde dann den Riss schließen und noch vorhandene Dämonen exorzieren. Um allerdings in die Halle zu gelangen, würde er noch ein weiteres Artefakt brauchen, welches ihn vor den Dämonen verbergen würde. Dieses würde er in der Nähe finden.
Zum Abschied wünschte ihm besonders die Humusdschinni alles Gute und bestand darauf, ihn als Ausgeburt des Lebens noch einmal in den Arm nehmen zu dürfen - besonders da er ja selbst schon zweimal zur Vermehrung des Lebens beigetragen hatte. Leomir nahm diese Äußerung kommentarlos hin, denn er wand sich gerade glückselig in den Armen des Dschinns und hatte anderes zu tun, als über solche Sachen nachzudenken.

Wie Leo sich da in den Armen des Dschinns gewunden hat war... hmm... seltsam.

– Fayrishe, Tagebuch 1018 BF

Tief im Keller des Sternenturms
Schließlich verschwanden die Dschinne, und Leomir und Fayrishe fielen in den Boden. Beiden wurden speiübel, als eine Macht sie durch das Gestein zog, als wäre es Wasser. Wenig später fielen sie in einem anderen Raum wieder aus der Wand, direkt vor die Füße einiger grauberobter Gestalten. Leomir erklärte, dass er auf der Suche nach dem Artefakt war und wunderte sich, als die Leute ihn als Novizen begrüßten. Sie erklärten ihm, dass er zunächst würde eine Prüfung ablegen müssen, um sich würdig zu erweisen. Aus dem kurzen Gespräch wurde Leomir klar, dass er sich zwar nicht mehr tief unten in den untersten Schichten Fasars befand, aber immer noch im Al'Tacht, tief unter dem Palasttempel in Yol-Fessar oder dem Sternenturm. Mehr konnte er aber nicht in Erfahrung bringen, denn schon wurde er durch eine Tür in einen großen Raum geschoben, und als er hinter sich mehrere Riegel hörte, die umgelegt wurden, war ihm klar, dass die Prüfung wohl schon begonnen hatte.
Der Raum, in dem er sich befand, war verschachtelt, und überall standen steinerne Bänke und ähnliches, die ihm die Sicht versperrten. Schnell wurde Leomir klar, dass er einen Ausgang finden sollte, und als grauer Nebel auf dem Boden zu wallen schien, der mit jedem Augenblick zuzunehmen schien, wurde ihm auch klar, dass das schnell zu gehen hatte. Schon nach kurzer Zeit fand er in einer Ecke ein Gemälde. Ein Fuchs hatte es sich im Gras bequem gemacht und blickte ihn erwartungsvoll an. Hinter dem Gemälde befand sich eine Luke in der Wand, die Leomir jedoch nicht öffnen konnte, weil ihm der Schlüssel dafür fehlte.
Panisch begann Leomir, wieder den Raum zu durchsuchen, während der Nebel mittlerweile auf Höhe seiner Knie wallte. Die Zeit verging, und schließlich ging er ihm bis zur Hüfte, und als sich Leomir einmal bückte, atmete er etwas von dem Nebel ein, woraufhin ihm etwas schwummrig wurde. Er wollte lieber nicht wissen, was ihm geschähe, wenn er einmal wirklich etwas davon einatmen würde. Er suchte und suchte, fand aber nichts, so dass er schließlich zum Gemälde zurückkehrte und sich dieses noch einmal ansah. Und siehe da - an der Rückseite des Gemäldes war ein kleines Schüsselchen befestigt... Als Leomir noch einmal das Fuchsbild betrachtete, konnte er sich des Gefühls nicht erwehren, dass der Fuchs ihn spöttisch betrachtete und sich unheimlich amüsierte.
Schnell öffnete Leomir die Luke und ließ sich in den kurzen niedrigen Gang dahinter fallen. Er zog sich weiter und gelangte zu einer weiteren Luke, die ihn in einen weiteren Raum führte. Dort fand er eine Art Pult vor, auf dem eine Unzahl von Hebeln angebracht worden war. Leomir riss erstaunt die Augen auf, als er über dem Pult ein Stück Wand sah, das durch eine Art Glas ersetzt worden war. Blickte man durch dieses, sah man in einen großen Raum, in dem ein Netzwerk von Strängen von der Decke hing, die über Metallstücke miteinander verbunden waren. In der Mitte des Raumes hing eine große Metallkugel an einer Aufhängung an den Strängen. Ziel war es, durch geschicktes Bewegen der Hebel die Stränge so zu lösen, dass diese Kugel in ein Loch in der Mitte des Raumes fiel.
Leomir überlegte eine Weile und fing dann an, die Wirkungsweise einiger Hebel zu testen, um das Grundprinzip zu erkennen. Dann erging er sich in langwierigen Berechnungen, legte hin und wieder einen Hebel um und rechnete weiter. Stunde um Stunde verging, und der Gelehrte wurde immer müder, bis er schließlich über seinen Berechnungen einschlief. Als er wieder erwachte, machte er sich nach einem kurzen "Morgenmahl" sofort wieder an die Berechnungen, und wieder einige Stunden später atmete er erleichtert, aber auch stolz auf, als die Aufhängung sich löste und die Kugel hinabfiel. Seine große Freude wurde etwas getrübt, als er auf wieder auf das Pult blickte und erkannte, dass die umgelegten Hebel grob das Gesicht eines Fuchses nachzogen.

Interessanterweise habe ich solche Feqz-Geweihte noch nie gesehen vorher. Sie waren aber auch nicht sehr gesprächig, weswegen die Wartezeit wirklich endlos zu sein schien. Leo brauchte wirklich lange für diese paar Prüfungen!

– Fayrishe, Tagebuch 1018 BF

Es wird immer schlimmer...
Kaum dass die Kugel ins Loch gefallen war, öffnete sich in einer anderen Wand ein weiterer Durchgang, den Leomir auch gleich betrat. Als er dem Gang folgte, wurde es immer dunkler, und trotz seiner Laterne konnte er bald kaum noch etwas sehen, so dass er die Laterne löschte und wegpackte. Bald darauf tapste er im Dunkeln herum. Plötzlich spürte er etwas unter seinem Stab auf dem Boden liegen, und als er dagegen stieß, klackerte es. Sofort erkannte Leomir das Geräusch: Dort lagen Knochen!
Doch es sollte noch schlimmer kommen: Als Leomir sich vorsichtig weiter pirschte, streiften ihn Knochen am Kopf. Diese hingen von der Decke und als er herum tastete, spürte er auch welche von den Wänden hängen. Angewidert duckte sich Leomir und tastete sich mithilfe seines Stabes voran, aber er rutschte immer wieder auf den Knochen aus, die unter seinen Schuhen davon rollten, so dass er schließlich dazu überging, durch den Gang zu krabbeln.
Das überlegte er sich wieder anders, als er nach einer ganzen Weile etwas Weiches unter seinen Fingern spürte. Er spürte die Form nach - es war ein herausgerissener, halbverwester Arm. Mit einem erstickten Aufschrei zog Leomir seine Hand zurück. Mit dem Stab tastete er vor sich in der Dunkelheit herum und erkannte, dass dort noch mehr Körperteile lagen. Er stand wieder auf und schlich geduckt weiter, denn wie die Knochen zuvor hingen auch die Körperteile von Decke und Wänden. Schritt für Schritt kämpfte sich Leomir voran, den Brechreiz unterdrückend, bis es doch nicht mehr ging.
Einige Augenblicke verharrte er gebückt im Gang, tastete nach seinem Wasserschlauch und spülte sich den Mund aus. Dann atmete er tief durch (schlechte Idee) und taumelte weiter voran (nicht ganz so schlechte Idee). Nach einer Zeit, die ihm unendlich lange vorkam, sah er wieder Licht vor sich und erkannte vor sich eine T-Kreuzung: Rechts führte eine Tür weiter, links ein Gang. Als er in den Gang sah, schrak Leomir gleich wieder zurück. Auch dort lagen Körperteile in unterschiedlichen Verwesungsstadien herum, aber nun waren sie auch noch hell erleuchtet, so dass Leomir Käfer und Maden sehen konnte, die im Fleisch herumkrabbelten. Er drückte sich gegen die andere wand, bis die Übelkeit einigermaßen zurückgegangen war.
Dann überlegte er, was er tun sollte. Er konnte die Schrift an der Wand zwar nicht lesen, die wohl Auskunft darüber gab, wohin Gang und Tür führten, aber das konnte er sich auch so denken. Vermutlich war die Tür ein einfacherer Ausgang als der Weg durch den Gang. Nur: Wollte Phex, dass er den einfacheren Weg wählte? Wohl kaum, entschied Leomir, schließlich sollte dies hier wohl auch eine Prüfung sein, wieviel er ertragen konnte, um seinem Herrn zu dienen.
So nahm er all seinen Mut zusammen und betrat den Gang ohne die Tür auch nur eines Blickes zu würdigen. Schritt für Schritt stapfte er voran, schloss die Augen und versuchte zu ignorieren, was um ihn herum vorging. Das fiel schwer, denn trotz aller Vorsicht berührte immer wieder irgendetwas seinen Kopf, oder eine Made fiel ihm ins Gesicht, und auch der Geruch war kaum noch zu ertragen.

"Wer ist eigentlich diesmal mit dem Putzen dran?"

– Der Habicht, Gespräch mit den anderen Wächtern 1018 BF

Wie, alles umsonst?!
Als Leomir endlich das Ende des Gangs erreichte, ignorierte er den Graugewandeten, der auf ihn einredete und ihm zum Bestehen der Prüfung beglückwünschte, und fiel einfach auf alle Viere. Er kämpfte noch eine Weile mit seinem Magen herum, dann war er wieder in der Verfassung, mit jemandem zu reden und erhob sich.
Der Mann vor ihm (zumindest glaubte Leomir, dass es sich um einen solchen handelte) erklärte Leomir, dass er nun würdig war, das Artefakt in Empfang zu nehmen - im Gegensatz zu vielen vor ihm. Leider konnte er das Artefakt dennoch nicht bekommen, da es sich nicht mehr an diesem Ort befand. Alles weitere würden ihm die anderen Geweihten erklären. Jetzt aber müsste er gehen. Leomir bekam noch einen Ring in die Hand gedrückt, der ihm ermöglichen sollte, den Ausgang zu erreichen, und wurde dann wieder in den Gang hinter ihm geschickt. Als er den Ring über seinen Finger gleiten ließ, erkannte er, dass alles, was er zuvor wahrgenommen hatte, nur eine meisterliche Illusion gewesen war. Sichtlich erleichtert trat er wieder in den Gang und ging zurück zur T-Kreuzung. Als er in den anderen Gang blickte, war es nun auch dort nicht mehr dunkel, und er konnte einen langen, leeren Gang entlang blicken, in dem nichts von Knochen und Körperteilen zu sehen war.
Er nahm die Tür und trat in einen weiteren kurzen Gang. Als er dort auf eine der Steinplatten trat, hörte er ein Knirschen, aber nichts weiter geschah. Plötzlich hatte er das unbestimmbare Gefühl, dass es nicht gut für ihn gewesen wäre, wenn er hier entlang gegangen wäre, ohne den Ring bei sich zu haben. Schließlich trat er durch eine weitere Tür wieder in einen größeren Raum, wo ihn schon andere Geweihte zusammen mit Fayrishe erwarteten.
Sie wunderten sich, was er so lange gebraucht hatte, waren andererseits aber auch froh, dass er die Prüfung hinter sich gebracht hatte. Als er verwirrt nachfragte, erklärte ihm eine der Gestalten, dass das Artefakt nicht mehr in Fasar weilte. Ein Verräter unter den Wächtern hatte es vor ungefähr drei Generationen gestohlen und war damit in den Raschtulswall geflohen. Einmal im Jahrzehnt hatten die Wächter einen der Ihren ausgesandt, das Artefakt zurückzubringen, aber bisher war noch keiner zurückgekehrt, so dass sie ihm keinerlei Hinweise zu geben vermochten. Wenn er seine Aufgabe also zu Ende bringen wollte, blieb ihm nichts Anderes übrig, als in den Raschtulswall zu reisen, und das Artefakt bei den wilden Bergbarbaren zu suchen...
Enttäuscht ließ sich Leomir die Augen verbinden, und dann folgte ein langer Aufstieg über diverse Treppen und durch viele Räume, bis er schließlich mit Fayrishe vor dem Burj Al'Nudjum, dem Sternenturm Mantrabads stand. Erschöpft beschlossen beide, sich erst einmal ein paar Tage auszuruhen, ehe sie weitersahen, und verabschiedeten sich. Leomir kehrte zur Karawanserei zurück, wo man ihm mitteilte, dass mittlerweile bereits der 14. Boron hereingebrochen war, ehe er sich in seine kleine Kammer zurückzog und erst einmal schlief.

Diese Nacht hatte ich eine beunruhigende Vision: Ich sah eine neblige Lichtung, darauf ein goldenes Amulett, und eine große Ratte, die sich an das Amulett heranschlich. Dann jedoch stürzte eine Art Vogel aus dem Gehölz und schnappte der Ratte das Amulett vor der Schnauze weg.

– Die Maske, Geheimes Tagebuch 1018 BF

Neue Freunde
Die nächsten Tage verbrachte Leomir damit, das Geschehene zu verdauen, sich Notizen zu machen und sich zu erholen. Er fing langsam an, sich an den Gedanken zu gewöhnen, in den Raschtulswall gehen zu müssen - gerade jetzt, da Firun dort oben im Gebirge eisige Kälte verbreiten würde, die für ihn sehr gefährlich werden würde. Zunächst aber benötigte Leomir Geld, um sich ausrüsten zu können, und so fragte er erneut herum, ob nicht jemand einen Lehrer brauchen könnte.
Er fand seine nächste Schülerin im Avestempel, wo sie gerade eine Karte des wilden Mhanadistan studierte, wohin sie bald eine Expedition organisieren wollte. Ihr Name war Lysminia ter Goom, sie war anderthalb Köpfe größer als Leomir, halb so breit und eine Nichte des Erhabenen Manach ter Goom. Wie Phex es so wollte, hatte sie schon seit geraumer Zeit nach einem Lehrer für das Bosparano gesucht. Zwar hätte sie einen solchen unter den Praiosanhängern in Yol-Topas finden können, so erklärte sie ihm, doch hätte ihr Onkel das nicht gutheißen können. Eine wichtige Bedingung war, dass Leomir ihr für die Zeit den ganzen Tag für Fragen zur Verfügung stand, dafür bekäme er Kost und Logis sowie einen ordentlichen Lohn.
Leomir willigte ein, und so nahm sie ihn mit zum Burj ihres Onkels und stieg mit ihm die vielen Stufen in eines der oberen Geschosse hinauf. Dort wies sie Leomir ein luxuriös möbliertes Zimmer zu und ließ ihn fürs erste allein. Mit großen Augen bestaunte der Gelehrte seine neue Unterkunft, aber besonders die grandiose Aussicht über die Stadt, die sich ihm von dem hohen Turm aus bot.
Während ihres Unterrichts die nächsten Tage kam Leomir gut mit Lysminja zurecht, stellte sich doch heraus, dass sie eine gebildete Frau und gelehrige Schülerin war. Schnell kamen die beiden sich näher, während Leomir gleichzeitig hin und wieder Besuch von Fayrishe bekam, die sich des nachts heimlich in den Turm schlich. Leomir kam schon ins Schwitzen wegen seiner doppelten Liebschaft, aber glücklicherweise hatte das Füchschen wenig Zeit für ihn und kam nur selten zu Besuch.
Wenige Tage nach seiner Ankunft bekam Leomir einen Zimmergenossen. Zunächst betrat Merisha ter Goom, Tochter des Hausherren sein Zimmer, zusammen mit einem gut aussehenden und edel gekleideten jungen Herrn. Sie war empört zu erfahren, dass das Zimmer schon besetzt war, rauschte davon, um mit Lysminja zu sprechen und ließ die beiden allein. Der junge Mann stellte sich als Arkos von Sonnenfeld vor, und Leomir lud ihn freundlich ein, doch schon einmal seine Sachen herein zu bringen, das sie sich das Zimmer doch auch teilen konnten.
Arkos erklärte ihm, dass er hier war, um im Auftrag seiner Familie ein lukratives Handelsgeschäft abschließen zu können - und vielleicht mehr, wenn die Erhabenentochter Gefallen an dem Händlerssohn fand. Wie sich herausstellte, lagen seine eigentlichen Talente jedoch anderswo: Er schien mehr von Rahja als von Phex gesegnet und konnte wunderbar zeichnen und musizieren. Leomir ließ sich von ihm zeigen, wie er die Bilder, die er selbst von Fayrishe und von der Stadt gezeichnet hatte, noch weiter verbessern konnte.
Irgendwann kehrten auch Merisha und Lysminja zurück, die sich bisher nicht hatten einigen können und reagierten recht verdutzt, als die beiden Männer ihnen eröffneten, dass sie sich das Zimmer einfach teilen würden. Natürlich hatten sie aber nichts dagegen einzuwenden.

Wir haben Liebe gemacht! Ich bin so glücklich!

– Fayrishe, Tagebuch 1018 BF

Das kann ja heiter werden
Kurz vor Ende der Lehrzeit Lysminjas, am 30. des Boronmonds, sandte diese Leomir in den Tempel der Rascha Uschtammar, wo er sich bei den Geweihten nach einem Führer der Ban Khalil, einem Ferkina-Stamm, erkundigen sollte, der ihn ins Gebirge bringen konnte. Zum ersten Mal in seinem Leben konnte Leomir die Hochstraßen Fasars benutzen, die leer vor ihm lagen, während sich unter ihm die Menschenmassen durch die engen Gassen schoben. Er genoß das Gefühl und ließ sich Zeit, bis er doch vor dem Tempel stand.
Als Leomri in den Tempel trat, schreckte er zurück, denn nur ein schmaler Sims führte von der Brückenstraße über eine schmale Treppe hinunter in den Hauptraum des Tempels. Vorsichtig drückte der Gelehrte sich an die Wand und stieg langsam die Treppenstufen hinunter. Der Tempel unten war mit Tüchern in viele kleinere Teile unterteilt, so dass Leomir sich kurz umblickte, unschlüssig, wohin er sich wenden sollte.
Da sprach ihn eine der Geweihten an, die unverkennbar von den Ferkina stammte und außerdem hochschwanger war. Leomir trug ihr sein Anliegen vor, und sie wollte sich schon aufmachen und ihre Sachen packen - denn sie war sich sicher, dass sie genau die richtige Person war, ihn zu begleiten. Der Gelehrte diskutierte eine Weile mit ihr rum, doch alles nützte nichts, und so stimmte er schließlich zu, mit ihr gemeinsam in den Raschtulswall zu reisen, aber erst in ein paar Tagen.
Er verabschiedete sich und kehrte über die Brückenstraße zurück zum Turm Manach ter Gooms, wo er Lysminja noch ein paar Tage Unterricht gab.

Ein fähiger Kartograph und Lehrmeister. Ist sein Geld wert.

– Lysminia ter Goom, Notizbucheintrag zu Leomir 1018 BF

Hesinde Bearbeiten

Aufbruch ins Ungewisse
Am 4. Hesinde gab Leomir ein letztes Mal Lysminja Unterricht, dann kaufte er auf dem Basar alles Nötige für seine Expedition ins Gebirge. Da er nun nicht mehr in einem Burj lebte, musste er zu Fuß zum Rahjatempel zurückkehren, um der Geweihten Bescheid zu geben, dass es bald losgehen sollte. Er zog die Rüstung, die er von Melek bekommen hatte, an, um wieder als Mitglied der Kor-Kirche zu gelten und schneller voranzukommen.
Vor dem Tempel der Rascha Uschtammar wurde er deshalb von einer der Tempelwachen der Ferkina angehalten, der sich über einen Kor-Anhänger mit Stab lustig machte. Wie Melek es von ihm verlangt hätte, pöbelte Leomir zurück und brach schließlich eine Prügelei vom Zaun, um sich die Beleidigungen nicht gefallen lassen zu müssen. Er machte seiner aktuellen Position Ehre und gewann, und die übrigen Tempelwachen ließen ihn ungestört den Tempel betreten.
Drinnen machte sich Leomir auf die Suche nach Lahileh, wie die Geweihte der Rascha hieß, und fand sie schließlich in einem abgeteilten Bereich, wo sie gerade genüsslich einen anderen Mann auspeitschte. Als Leomir dazu trat, rollte sie schnurrend ihre Peitsche zusammen und bot ihm an, ihn auch einmal auf diese Weise zu beglücken, aber Leomir lehnte ab. Schnell erklärte er sein Anliegen und machte sich wieder aus dem Staub.
Vor seiner Abreise verabschiedete sich Leomir noch einmal von Lysminja. Sie war ein wenig schlecht gelaunt, da sie ihre Expedition hatte absagen müssen. Wie sie ihm erklärte, hatte ihr Onkel sich geweigert, ihr Leibwächter mitzugeben, brauchte er doch im Augenblick jeden Mann, da sich eine neue Macht in Fasar breit zu machen begann. Welche das war, konnte sie ihm nicht sagen. Bedingt durch ihre Laune, aber vor allem weil Leomir sich ungünstig ausdrückte, trennten sich die beiden nicht gerade freundlich voneinander, was Leomir später bedauerte.
Am Morgen des 6. Hesinde hatte er aber zunächst einmal andere Sorgen, als er mit der Geweihten Lahileh Fasar verließ und auf den Raschtulswall zuhielt, ohne zu wissen, wo er überhaupt mit seiner Suche beginnen sollte, und wie er mit den Bräuchen der Ferkina zurecht kommen sollte. Sie marschierten den ganzen Tag und aßen im Laufen, was Leomir nichts ausmachte, war doch die Geweihte deutlich langsamer als er. Am Abend schlugen sie ein karges Lager in der Wildnis auf, und Lahileh bot ihm erneut an, ein bisschen mit ihrer Peitsche zu spielen, und erneut lehnte Leomir ab.

Idiot.

– Lysminia ter Goom, Zweiter Notizbucheintrag zu Leomir 1018 BF

Willkommen bei den Barbaren
Am nächsten Tag begannen sie langsam höher zu steigen. Gegen Abend suchte Lahileh ein wenig herum und nahm Leomir schließlich mit zur Hütte eines Einsiedlers, den sie kannte, und bei dem sie sich mit Fellkleidung eindecken konnten. Am Abend des nächsten Tages machte sich die Geweihte erneut über Leomir her, und diesmal gab er nach - aber nur unter der Bedingung, dass sie die Peitsche wegließ.
Wiederum einen Tag später war eingetreten, was sie vorausgesagt hatte - nicht die beiden würden die Ferkina finden, sondern die Ferkina sie. Ein Kundschafter der Barbaren gesellte sich während ihrer Mittagsrast zu ihnen. Lahileh diskutierte eine Weile mit ihm rum, dann befahl sie Leomir seine Sachen zu packen und dem Mann zu folgen. Ein paar Stunden kletterten sie durch das Gebirge, dann gelangten sie zum Lager des Stammes.
Dort führte der Kundschafter die beiden direkt zu einem Zelt, das offensichtlich ihm zu gehören schien. Wieder redete er auf Lahileh ein, und Leomir verstand kein Wort. Dann kam der Mann auf ihn zu, um ihm den Stab abzunehmen, aber Leomir schlug nach ihm und weigerte sich. Lahileh erklärte Leomir, dass er in ihm jetzt seinen Sklaven sähe und dass er sich besser weiter wehren solle. Ärgerlich versuchte der Ferkina es noch ein paar Mal, ehe er ein Messer zückte und damit auf Leomir losging. Mittlerweile hatten sich ein paar Schaulustige um sie versammelt, so dass er doch unter Druck stand, wollte er nicht seine Ehre verlieren. Es gelang ihm jedoch nicht, mit der kurzen Waffe an Leomirs Stab vorbeizukommen, so dass es ihm schließlich langte.
Wütend rammte der Kundschafter sein Messer in den Boden, das einem Waqqif der Novadis nicht unähnlich sah und erklärte damit den Beginn eines Kampfes um Leben und Tod. Dann ließ er sich von seiner Frau seinen Jagdspeer zuwerfen, fing ihn elegant und begann, damit auf Leomir einzustechen. Dies ging nun schon wesentlich besser, und der Gelehrte blutete schon aus einer üblen Beinwunde, als dem Ferkina plötzlich der Speer entrissen wurde - Lahileh hatte ihn mit ihrer Peitsche (der Kampfpeitsche, nicht der Peitsche, die sie für das Liebesspiel verwendete) entwaffnet und schimpfte jetzt auf ihn ein. Sie kam noch dazu, Leomir zu erklären, dass der Kampf nun unbewaffnet weiter ging, dann wurde sie von der Frau des Ferkinas mit einer Axt angegriffen.
Mit offenem Mund beobachtete Leomir, wie die schwangere Rahjageweihte sich gewandt beiseite warf und der Barbarin in die Arme griff, um den Hieb abzufangen. Danach begannen die beiden Frauen, um die Waffe zu ringen, aber Leomir musste seine Aufmerksamkeit wieder dem Ferkina zuwenden, der erneut auf ihn losging. Da es nun aber ums Ringen ging, gewann Leomir wieder die Oberhand, und schließlich konnte er den Barbaren ohnmächtig würgen.
Da auch an ihm der Kampf nicht spurlos vorübergegangen war, blieb Leomir erst einmal auf allen Vieren und ruhte sich aus, um wieder zu Atem zu kommen. Da rief ihm Lahileh zu, dass er den überwundenen Gegner nun mit dem Waqqif töten musste, um den Kampf würdig zu Ende zu bringen. Leomir glaubte erst, nicht richtig zu hören, aber dann meinte er, keine Wahl zu haben, schließlich musste er sich bei den Ferkina einleben um seine Aufgabe zu vollenden, und da es sich ja ohnehin nur um einen Barbaren handelte...

Ferkina leben in einer recht primitiven Gesellschaft, und wie die Wüstenbewohner sind sie der Meinung, dass Männer mehr wert wären als Frauen, und deshalb die Frauen besitzen müssten. Umso erstaunlicher ist dies, wenn man bedenkt, dass die gewöhnliche Ferkina-Barbarin wohl ebensogut mit einer Waffe umgehen kann, wie es hierzulande von einem Soldaten erwartet wird, und man erwarten sollte, dass eine solch unsinnige Benachteiligung, ja, man kann sagen Unterdrückung, zu gewalttätigen Aufständen führen müsste.

– Honoria di Pechstein, Abhandlung zu den Ferkina, zusammengestellt aus allen verfügbaren Quellen 1010 BF

Das weitere Schicksal des Gegners
Aber als er auf den Dolch zu krabbelte, erschien vor ihm ein durchscheinender Fuchs und blickte ihn einfach nur abwartend an. Leomir verstand den Hinweis und presste heraus, dass er sich dazu nicht imstande sah. Vielleicht reichte es ja, ihn einfach nur ein wenig zu verletzen und sein Blut zu trinken oder ähnliches zu vollführen? Lahileh war sich nicht sicher, aber Leomir wusste, dass er es einfach probieren musste. Er griff sich den Dolch, kroch hinüber zu dem bewusstlosen Ferkina und schlitzte ihm den Arm auf. Dann hielt er diesen über sich und trank zögernd von dessen Blut. Übelkeit überkam ihn und ließ ihn würgen, aber er hielt tapfer durch und brachte die widerliche Angelegenheit hinter sich, ohne sich allzu sehr vor den Ferkina zu blamieren.
Als er sich wieder aufrappelte, klopfte ihm der Häuptling des Stammes auf die Schulter, und Lahileh übersetzte ihm, dass er als neuer Krieger des Stammes willkommen gehießen wurde. Der Häuptling wollte natürlich wissen, warum er seinen Gegner verschont hatte, und um nicht als Schwächling dazustehen, saugte sich Leomir die Erklärung aus den Fingern, dass er es für die schlimmere Strafe hielt, dass der Ferkina nun mit der Schmach leben musste, von einem Tiefländer ohne richtige Waffe besiegt worden zu sein. Anerkennend nickten die Ferkina um ihn herum, das war wahrhaft gnadenlos.
Schnell wurden alle Krieger zusammen gerufen, und Lahileh reichte Leomir noch einen blutroten Schleier. Jeder der Krieger besaß einen solchen, und nun wickelten sie sich diese um den Kopf, während der besiegte Ferkina wieder aufgepäppelt wurde. Er bekam noch ein steinernes Messer in die Hand gedrückt und wurde dann mit nichts als diesem und seiner Kleidung am Leib vom Stamm verstoßen. Wie ihm Lahileh nach dem Ritual erklärte, hatten die Ferkina die schlimmste Form der Ausstoßung gewählt: Durch das Anlegen der Schleier hatten sie deutlich gemacht, dass sie ihn nun als "Blutlosen", das heißt als ehrlosen Tiefländer, sahen, und er würde eine große Tat vollbringen müssen, um wieder als einer der Ihren gelten zu können. Leomir konnte sich sicher sein, sich einen Feind fürs Leben gemacht zu haben...

Ich werde meine Ehre wiedergewinnen, und dann werde ich ihn vernichten. Wenn Begum das nicht schon gemacht hat bis dahin. Feige Ratte, so von hinten den Hals zu drücken. Grr.

– Abtuul, Selbstgespräch 1018 BF

Das gehört jetzt alles dir
Nach dem Ritual gab es für den schwer verletzten Leomir endlich die Gelegenheit, sich auszuruhen. Er betrachtete kurz, was zuvor seinem Gegner gehört hatte und deswegen jetzt ihm zustand: ein Zelt, ein paar Schafe, eine Frau und vier Kinder. Zudem wurde noch Lahileh als seine Frau angesehen und wohnte ebenfalls mit ihm Zelt. Erschöpft fiel Leomir in diesem auf die Felllager ohne sich groß an der mangelnden Reinheit zu stören.
Er schlief eine Weile, und als er wieder erwachte, noch am selben Tag, erzählte ihm Lahileh, dass es am Abend ein Fest geben würde für den neuen Krieger und für sie - zu Ehren Raschas. Sie klärte ihn darüber auf, dass solche Abenden meistens in einem Gelage endeten, und dass die Ferkina keine Eifersucht kannten. Es mochte also gut sein, dass ein paar Frauen den neuen Mann im Lager kennenlernen wollten. Aber zunächst einmal hatte er sich um seine eigene Frau zu kümmern. Diese musste er entweder unterwerfen - oder er lief Gefahr, dass sie ihn die nächste Nacht mit ihrer Axt im Schlaf erschlug. Leomir stöhnte gequält auf und fragte sich, was er noch alles würde ertragen müssen, dann kümmerte er sich um das Problem und züchtigte seine neue Frau. Anstatt ihn jedoch dafür zu hassen, blickte sie ihn danach deutlich respektvoller an und schien ihn fast schon ein wenig zu bewundern. Leomir war sich nicht sicher, ob er das nun besser fand, als wenn sie ihn verachtet hätte.
Nach dieser Zurechtweisung begann sich seine neue Frau Begum auch um ihren Mann zu kümmern und brachte Leomir etwas ganz Besonderes zu essen: rohes Fleisch, damit er nach dem Kampf wieder zu Kräften kam. Angewidert aber hungrig würgte Leomir das Fleisch herunter. Die nächsten Mahlzeiten sollten aber auch nicht besser sein: Außer Milch, altem Käse und rohem Fleisch schienen die Ferkina nichts zu sich zu nehmen.
Am Abend gab es dann das angekündigte Fest, und der Häuptling wartete zur Feier des Tages mit zwei Geschenken für den neuen Krieger auf. Als erstes bekam Leomir ein spezielles Getränk gereicht, bestehend aus frischer Milch und warmem Tierblut. Da er langsam Übung darin bekam, schluckte Leomir auch dieses, ohne eine Miene zu verziehen. Dann bot ihm der Häuptling an, sich für den Abend eine seiner Frauen auszusuchen: entweder seine Frau oder eine seiner beiden Töchter. Leomir überlegte nur kurz und entschied sich dann für die Frau. Diese war zwar älter, aber deutlich tulamidischer Herkunft und schon allein deshalb den Ferkinafrauen überlegen.
Er bemerkte, dass er die richtige Wahl getroffen hatte, als er sich ein wenig mit der Frau unterhielt, die sich als Tulmyria vorstellte. Er deutete ein wenig seines Auftrages an, und sie erzählte ihm, dass sie einst aus dem gleichen Grund in den Raschtulswall gekommen war - sie war eine Phexgeweihte, gehörte den Wächtern an und war von diesen vor gut zwanzig Jahren ins Gebirge gesandt worden, um das Artefakt zu suchen. Sie war die erste Frau gewesen, die ausgesandt wurde, nachdem keiner der Männer vor ihr zurückgekehrt war. Traurig berichtete sie, wie sie damals fast ums Leben gekommen war, der Häuptling dieses Stammes sie aber gerettet hatte. Fast hätte ihn das selbst das Leben gekostet, und während er im Sterben lag, hatte sie ihm versprochen, bei ihm zu bleiben, bis es endgültig vorüber war. Dann aber war der Schamane des Stammes doch noch rechtzeitig zu ihnen gestoßen und hatte den Häuptling geheilt - und sie hatte sich an ihr Wort gebunden gefühlt, schon allein, weil dieser Ferkina anders war als alle anderen und ihr Herz erobert hatte. Verständnislos schüttelte Leomir den Kopf, dass sie dafür ihren heiligen Auftrag Phexens vernachlässigt hatte. Er bat sie um Hilfe, und sie lud ihn für den nächsten Tag zu sich ins Zelt des Häuptlings ein. Dieser würde damit keine Probleme haben, solange Leomir vorher um Erlaubnis fragte, denn wie Leomir schon erfahren hatte, war Eifersucht unüblich bei den Barbaren.
Tatsächlich wurde Leomir später auf dem Fest von den Frauen umworben. Besonders fiel ihm dabei eine junge Frau namens Peribanu auf, die er für recht hübsch hielt, die aber bei den Ferkina-Männern deutlich weniger beliebt zu sein schien, was sich auch darin äußerte, dass sie trotz ihres Alters noch keinen Mann gefunden hatte.
Todmüde und erschöpft sank Leomir spät in der Nacht nach einem aufregenden Tag endlich auf sein Lager und sank in einen tiefen, traumlosen Schlaf.

Oh Feqz, danke dass du mir die Gelegenheit gibst meinen Schwur zu erfüllen ohne einen anderen zu brechen. Ich weiß, er wird es schaffen, denn er hat dieses gewisse Glitzern in den Augen; und ich werde ihm helfen, mit allem was ich weiß, besitze und mit allem Einfluss den ich habe.

– Tulmyria, Gebet 1018 BF

Aus einem Gelehrten wird ein ordentlicher Barbar
Der nächste Tag begann für Leomir entspannender, als ihm seine Frau Begum rohe Fleischstreifen zum Frühstück reichte, während seine andere Frau Lahileh ihm die Grundlagen der Sprache der Ferkina beibrachte. Später am Tag streifte Leomir durch das Lager, um ein wenig seinen neuen Stamm kennenzulernen. Dabei fielen ihm ein paar jüngere Krieger auf, die mit ihren Speeren übten - und diese hielten, wie er am Tag zuvor seinen Stab gehalten hatte. Sie luden ihn ein, ihnen noch ein paar Tricks zu zeigen, und so verbrachte er ein wenig Zeit mit ihnen.
Schließlich machte sich Leomir auf den Weg zur Phex-Geweihten im Zelt des Häuptlings. Tulmyria berichtete ihm noch ein wenig von ihrem Leben beim Stamm, ehe sie auf seine Suche nach dem Artefakt zu sprechen kam. Sie hatte in Erfahrung bringen können, dass der beste Kundschafter des Stammes, der immer besonders weite Streifzüge unternahm, in einer Entfernung einen Stamm ausgemacht hatte, der einen Unsichtbaren verehrte. Da das Artefakt genau das bewirken sollte, vermutete sie, dass es dort zu finden sein sollte. Aufgeregt verlangte Leomir zu wissen, wer dieser Mann war und ob er ihn zu diesem Stamm führen konnte - und fiel aus allen Wolken, als ihm Tulmyria eröffnete, dass es sich bei dem Mann genau um denjenigen handelte, der seinetwegen verbannt worden war.
Enttäuscht sank Leomir zusammen und ließ sich den Rest des Abends von der Tulamidin trösten. Als er spät am Abend wieder erwachte, blickten ihn die beiden Töchter des Häuptlings neugierig und aufgeregt an, und es war offensichtlich, dass sie ihn gerne noch ein wenig bei sich gehabt hätten, aber Leomir ergriff lieber die Flucht und kehrte in sein eigenes Zelt zurück. Als er am nächsten Morgen erwachte, war die Rahja-Geweihte Lahileh gerade dabei, zwei Pasten anzurühren. Sie erklärte ihm, dass es nun Zeit für ihn wurde, endgültig zum Krieger zu werden, indem er sich Narben zufügte, die seine bisherigen Heldentaten erzählten. Sogleich erwiderte Leomir scharf, dass er sich unter keinen Umständen Narben verpassen lassen würde. Lahileh beruhigte ihn, dass sie genau aus diesem Grund eine Paste anfertigte, die sie ihm ins Gesicht auftragen würde, und die sich dann in seine oberste Hautschicht brennen würde, so dass es so aussähe, als hätte er an diesen Stellen Narben. Leomir schluckte, ließ die Prozedur aber geduldig über sich ergehen, auch wenn ihm in diesem Augenblick Zweifel kamen, dass seine Haut nach wenigen Wochen tatsächlich wieder so aussehen würde, wie zuvor.
Die nächsten zwei Wochen verbrachte Leomir damit, sich einzugewöhnen: Er übte seine Kampffertigkeiten mit anderen Kriegern, er hatte bald keine allzu große Mühe mehr, die ungewohnten Speisen der Ferkina zu sich zu nehmen, er gewöhnte sich an seine vier Kinder und deren Alltagsprobleme sowie an seine beiden Frauen, die um seine Aufmerksamkeit buhlten, und bald hatte er auch die Sprache der Bergbarbaren soweit gelernt, dass er sich verständlich machen konnte.

Heute mit einem unguten Gefühl erwacht. Sollte mich besser beeilen, der Raschtulswall ist groß, und der Graue wird sein Möglichstes tun um mich aufzuhalten. Es wird ihm nichts nützen.

– Der Schatten, Notizbuch 1018 BF

Vaterfreuden
Gegen Ende des Monds hatten die Lektionen bei Lahileh ein Ende, als sie spürte, dass die Geburt ihres Kindes nicht mehr lange auf sich warten ließ. Am 25. Hesinde war es dann endlich soweit: Leomir erwachte in aller Frühe, als Lahileh schon in den Wehen lag, geweckt durch ihre Schreie. Lahileh war an Händen und Füßen festgebunden worden, damit sie einigermaßen stilllag und keine Gefahr für ihre Umwelt darstellte, wie Begum ihm knapp angebunden erklärte. Obwohl die beiden Frauen zuvor nicht sonderlich gut zurecht gekommen waren, kümmerte sich Begum nun fürsorglich um die Rahja-Geweihte. Leomir blieb bei den beiden und hielt Lahilehs Hand, bis Begum der überglücklichen Geweihten ihr kleines Töchterchen entgegen hielt.
Lahileh machte Leomir die Ehre, es ihm zu überlassen, einen Namen für das Kind zu wählen. Leomir ließ sich einige Namen der Ferkina nennen und entschied sich dann für Nuraya, weil das der einzige Name war, der für ihn nicht allzu fremd klang. Außerdem erklärte sie ihm, dass die Frauen der Ferkina tatsächlich gefährlich werden konnten, wenn sie ein Kind zur Welt brachten, schließlich betrachteten sie auch eine Geburt als Kampf - den ihr Kind verloren hatte. So war nun einmal das Leben, es begann mit einem Kampf, den man nur verlieren konnte, und es endete mit einem solchen. Für die Zeit dazwischen lag es an einem selbst, möglichst viele Siege zu erringen.
Während Lahileh nun mehr mit sich selbst und ihrem Kind beschäftigt war, konnte sich Leomir Gedanken über sein weiteres Vorgehen zu machen. Ihm war klar, dass er diesen Kundschafter namens Abtuul finden musste, und Tulmyria riet ihm, wegen dieser Sache den Schamanen aufzusuchen. Vielleicht wusste dieser einen Weg, wie er die Blutrache, die zwischen ihnen beiden nun herrschte, zu beenden, ohne dass es den Tod eines der Kontrahenten bedeutete.

Ein Feqzdiener also. Heimlich, hinterhältig, heimtückisch, so wie alle. Er wird hierher kommen. Ich werde ihn töten. Nach dem Essen.

– Durjin, Selbstgespräch 1018 BF

Welchen Weg willst du einschlagen?
Am nächsten Morgen stieg Leomir also den steilen schneebedeckten Hang zur Höhle des Nuranshâr, wie der Schamane genannt wurde, hinauf. Der nannte ihn nachdem er sein Anliegen erklärt hatte, einen Phexdiener, richtete seinen Speer auf Leomirs Brust und fragte, warum er ihn nicht einfach gleich hier erledigen sollte. Der Barbar redete den Gelehrten in Grund und Boden und warf ihm vor, seinen Stamm nur für seine Zwecke ausnutzen und bei nächster Gelegenheit verraten zu wollen. Leomirs mühsame Einwände, dass er doch Abtuul wirklich in seinen Stamm zurückholen wollte, wischte er beiseite und ließ ihm kaum Zeit, eine Argumentation aufzubauen.
Schließlich machte der Schamane deutlich, dass er sich auf keine weitere Diskussion einlassen würde und forderte von Leomir erneut einen Grund, ihn nicht zu töten. Verzweifelt überlegte Leomir, aber sein Kopf erschien ihm leer, bis er sich selbst sagen hörte, er könne das "Zauberding" aus dem Gebirge schaffen. Der Nuranshâr hielt inne und bedeutete ihm weiterzusprechen. Das Zauberding des anderen Stammes, erklärte Leomir, war sehr mächtig und hatte doch bereits dazu geführt, dass der Stamm sich hatte ausbreiten können. Er würde es ihnen wegnehmen und das Gleichgewicht zwischen den Stämmen wieder herstellen.
So konnte er letztendlich den Schamanen überzeugen, ihm doch zu helfen. Kryptisch berichtete der davon, dass es zu Zeiten des Vaters seines Vaters (oder war es noch früher?) schon einmal vorgekommen war, dass zwei Krieger eine Blutrache ohne einen Kampf auf Leben und Tod beendet hatten, und auch jetzt konnte Leomir bei seinem Vorhaben Erfolg haben. Dazu sollte er eine Weile hinausgehen und sich überlegen, ob er dabei lieber auf dem Pfad Raschtulas oder auf dem Pfad Raschas wandeln wolle. Er selbst würde sich derweil auf eine Geistreise begeben, um herauszufinden, wohin Abtuul gegangen war.
Als Leomir später wieder in die Höhle zurückkehrte, fand er den Nuranshâr noch in Trance vor. Dennoch schien der Mann ihn wahrzunehmen, denn er fing an zu sprechen und beschrieb dem Gelehrten grob den Weg Abtuuls. Eifrig machte sich Leomir Notizen. Als der Nuranshâr ihn wieder fragend anblickte, erklärte er, dass er sich für den Weg Raschas entschieden hatte (und dafür hatte er auch nicht lange überlegen müssen - wie hätte er den Götzen der Wüstensöhne der Göttin vorziehen können?). Sein Gegenüber nickte nur und trug ihm auf, sich bis zum nächsten Morgen zu überlegen, ob er auf diesem Weg mit den Waffen Raschtulas oder den Waffen Raschas kämpfe wolle. Ergeben nickte Leomir und stimmte zu, am nächsten Morgen vor dem Aufbruch noch einmal vorbeizukommen und seine Entscheidung zu verkünden.
Wieder zurück im Tal trug Leomir Begum auf, alles vorzubereiten, außerdem sollte sie ihn auf seinem Weg weiter hinauf ins Gebirge begleiten. Als er sich am Abend von Lahileh verabschiedete, plauderte sie ein wenig über das was sie aus Begums Leben erfahren hatte: Sie war die einzige Tochter eines Kriegers gewesen, so dass er sich entschieden hatte, sie zum Krieger zu machen. Sie hatte eine entsprechende Ausbildung erfahren und konnte sich schließlich aufmachen, ihren ersten Gegner zu töten und zum Mann zu werden. Als sie aber mit den anderen auszog, gab es dort noch einen weiteren jungen Mann, der sich seine ersten Sporen verdienen wollte, und mit dem sie sich bemerkenswert gut verstand - so gut sogar, dass sie schließlich doch darauf verzichtete, ein Krieger zu werden und sich ihm stattdessen unterwarf. Leomir staunte nicht schlecht, als die Rahja-Geweihte ihm erklärte, dass es zwar unter den Ferkina sehr unüblich war - schließlich hatten sie noch nicht einmal Begriffe dafür in ihrer Sprache - aber Abtuul und Begum mussten sich wirklich lieben. Bedrückt nickte Leomir und betete zu Phex und Rahja, das es ihm wirklich gelingen würde, die beiden wieder zusammen zu bringen.
Als er am nächsten Morgen in aller Frühe wieder vor dem Nuranshâr stand, entschied er sich abermals für Rascha, woraufhin ihm der Schamane erklärte, dass er Begum mit sich nehmen müsste. Sobald sie Abtuul gefunden hatten, sollte Leomir ihn dazu bringen, die Frau mit ihm zu teilen. Das wiederum würde sie zu Blutsbrüdern machen und die Blutrache zwischen ihnen aufheben.

Die Begegnungen zwischen den Geschlechtern beschränken sich außerdem rein auf das Körperliche, Gefühle für den Partner, wie sie in zivilisierten Ländern üblich sind, sind den Barbaren völlig unverständlich. In dieser Hinsicht scheinen sie sich nicht allzusehr von den Tieren zu unterscheiden, was darauf schließen lässt, dass die Ferkina nie in der Lage sein werden, eine fortschrittliche Zivilisation zu gründen - denn wie gerade erst von meinem geschätzten Kollegen Pandolfo di Rollido in seiner exzellenten Abhandlung über die Grundlagen der Liebfeldischen Gesellschaft ohne Zweifel nachgewiesen wurde, ist das gemeinsame, liebevolle Ausleben von Rahjas Gaben ein unverzichtbarer Grundstein für jeglichen zivilisatorischen Fortschritt.

– Honoria di Pechstein, Abhandlung zu den Ferkina, zusammengestellt aus allen verfügbaren Quellen 1010 BF

Eine Frau für immer
Erleichtert atmete Leomir auf, hatte er doch unwillkürlich angenommen, dass er dennoch auf irgendeine Weise gegen den Kundschafter hätten kämpfen sollen. Sofort machte er sich auf den Weg, wobei Begum voranschritt und er ihr hin und wieder Hinweise gab, wo es langgehen sollte. Je weiter die beiden hinaufstiegen, desto kühler wurde es, und Leomir hüllte sich in weitere Pelze, die er mit sich genommen hatte, während Begum noch relativ leicht gekleidet war.
Am ersten Abend schlugen sie ihr Lager noch bei einer Fichtengruppe auf, die sie vor dem Wind schützen würde. Erst jetzt wagte Leomir, Begum den wahren Grund ihrer Reise zu erklären. Empört sprang sie auf, einen verräterischen feuchten Schimmer in den Augen, und schrie ihn an, ob es ihm denn nicht reichte, dafür gesorgt zu haben, dass Abtuul verbannt worden war. Musste er ihn jetzt auch noch töten?
Leomir beruhigte sie und erklärte ihr, dass es ganz im Gegenteil sein Anliegen war, Abtuul in den Stamm zurückzubringen. Schnell berichtete er von dem Zauberding, dass er stehlen wollte, und dass nur Abtuul den Weg dorthin kannte - und dass er vorhatte, das Gebirge wieder zu verlassen, sobald er seine Aufgabe erfüllt hatte, so dass Abtuul seinen Platz im Stamm wieder einnehmen konnte. So gelang es ihm, die Frau auf seine Seite zu ziehen - solange er regelmäßig wieder zurückkehren und seine Frau besuchen würde, sobald er einmal das Gebirge verlassen hatte, denn das war sie nun einmal von nun an, und wenn sein Plan aufging, würde sie das auch noch sein, sobald Abtuul wieder zurück war.

Was ich euch im Folgenden erzählen werde, ist eine der schönsten Liebesgeschichten, von denen ich in meinem ganzen Leben erfahren habe. Hört gut zu, denn es geht um zwei meines Volkes, und um einen mutigen Nordländer...

– Lahileh, Erzählung im Rahjatempel zu Fasar 1020 BF

Firun Bearbeiten

Treffen mit Abtuul
Am 8. Firun, als Begum und Leomir schon längst in großer Höhe im schneebedeckten Gebirge umherkletterten, fanden sie Abtuul. Über einen Kamm hinweg beobachteten sie, wie der Kundschafter mit seinem Steinmesser ein einsames Tier erlegte und sich sofort daran gütlich tat, bis nichts mehr übrig war. Anschließend zog er sich offensichtlich in eine Höhle zurück, um dort ein wenig zu ruhen und zu verdauen.
Schnell folgten Begum und Leomir ihm. Als sie nach einem langen gewundenen Gang die Höhle betraten, blickte sich Leomir erst einmal staunend um: Stalagtiten hingen hier von der Decke und vereinigten sich zum Teil mit den in die Höhe ragenden Stalagmiten, so dass es aussah, als wüchsen steinerne Bäume in der Höhle. Hier und da glitzerten Wasserflächen.
Vorsichtig schlich Leomir weiter und erblickte im hinteren Teil der Höhle Abtuul, der an die Wand gelehnt eingenickt war. Er näherte sich soweit er glaubte, dass es noch ungefährlich war und machte den Mann dann durch ein Räuspern auf sich aufmerksam. Sofort war dieser auf den Beinen und hielt ihm das Steinmesser entgegen, darauf gefasst, dass Leomir ihn jederzeit angreifen würde. Dann bemerkte er Begum, und sein Gesicht wurde einen Augenblick weicher, aber augenblicklich wandte er sich wieder seinem Kontrahenten zu.
Vorsichtig setzte Leomir an, ihm zu erklären, warum er hier war und was er von ihm wollte, aber wie erwartet reagierte Abtuul äußerst skeptisch und wollte zunächst nichts davon wissen. Schließlich aber gelang es doch, ihn zu überreden, als sich Begum einschaltete und für die Sache einsetzte. Sie trat zwischen die beiden Männer und erklärte, die Axt in der Hand, dass sie nicht zulassen würde, dass einer von beiden den anderen angreifen würde. Dann begann sie sich zu entkleiden. Nach einem kurzen Augenblick des Erstaunens reagierte Leomir und begann, sie zu liebkosen, während er weiter mit Abtuul redete. Dessen Reaktion ließ nicht lange auf sich warten, wie erwartet hatte er seiner Geliebten nichts entgegenzusetzen und stimmte schließlich zu - und gesellte sich zu den beiden.
Noch am selben Abend bestand Abtuul darauf, das Ritual der Blutsbrüderschaft schon einmal in Kürze durchzuführen, ganz wirksam konnte es natürlich erst nach einer feierlichen Zeremonie mit dem Schamanen werden. Er führte vor, was zu tun war, und Leomir ahmte alles nach. So ritzten sie sich zunächst gegenseitig die Handflächen ein wenig auf, um dann ihr Blut zu vermengen. Sie tauschten ihre Dolche aus, woraufhin Abtuul seinen früheren Dolche wieder bekam, während Leomir von ihm das Steinmesser gereicht wurde, hatte der Krieger doch nichts anderes zu bieten. Auch den Speer gab Leomir ihm wieder, hatte er doch ohnehin keine Verwendung für ihn.
Erschöpft legte Leomir sich schlafen, während Begum und Abtuul noch wach blieben. Später erwachte er noch einmal kurz und wurde Zeuge, wie die beiden zärtlich zueinander waren, so dass er sich sofort wieder abwandte und gleich wieder einschlief.

... und so gelang es dem Nordländer, die beiden Liebenden wieder zu vereinen, ohne sein eigenes Leben zu verlieren. Sie haben nicht so ausführlich darüber geredet, aber ich vermute, dass die drei da oben einige wilde Nächte hatten!

– Lahileh, Erzählung im Rahjatempel zu Fasar 1020 BF

Nützliche Informationen
Am nächsten Morgen erklärte Leomir Abtuul erneut, dass er den Stamm finden und an das Zauberding gelangen musste, aber Abtuul eröffnete ihm, dass das so einfach nicht werden würde. In der Nähe des Stammes gab es eine Höhle, die für diesen Stamm ein heiliger Ort war, weil dort angeblich der Unsichtbare hauste, den sie anbeteten. Niemand durfte diesen Ort betreten, und dementsprechend wurde er auch bewacht. Und im Augenblick war an einen Aufbruch ohnehin nicht zu denken: Draußen tobte ein Schneesturm, der wohl ohne weiteres auch noch zwei oder drei Tage anhalten konnte.
Enttäuscht brachte Leomir also die nächsten Tage damit zu, seine Notizen über das Volk der Ferkina zu ordnen, Begum und Abtuul zu lauschen, wenn sie vom Leben im Gebirge erzählten oder mit Abtuul Speerkampf zu üben, der darauf bestand, dass sein Blutsbruder wenigstens ein wenig mit einer richtigen Waffe umgehen konnte, sich andererseits von ihm aber auch ein paar Tricks beim Ringen zeigen ließ.
Wie vorhergesagt, flaute der Sturm drei Tage später, am 12. des Firunmonds, soweit ab, dass die drei wieder aufbrechen konnten. Abtuul ging voran und führte die anderen beiden wieder weiter in die Täler hinab. Als Begum ihn darauf ansprach, warum er überhaupt so weit ins Gebirge vorgedrungen war, erklärte Abtuul, dass er vorgehabt hatte, einen Drachen zu erlegen, um wieder als Krieger in den Stamm aufgenommen zu werden. Beeindruckt schwieg Leomir, hatte der Ferkina doch lediglich ein Steinmesser mit sich geführt. So gesehen war es schon eine große Leistung gewesen, überhaupt die drei Wochen im Gebirge zu überleben, bis sie ihn gefunden hatten.
Weitere vier Tage später gelangten sie endlich in die Nähe des Gebiets des gesuchten Stammes, wo sie auf das Lager eines einsamen Kundschafters stießen. Dieser bemerkte sie zu spät und konnte nicht mehr fliehen, so dass er sie eilig zu sich ans Feuer lud - nachdem er sie zu seinen Gästen gemacht hatte, konnten die drei ihn nicht mehr so ohne weiteres erschlagen und seine Habseligkeiten rauben. So nahmen die drei Platz, und Abtuul ließ sich ein wenig erzählen, was sich in der Umgebung so zugetragen hatte in letzter Zeit.
Der Kundschafter erwies sich als äußerst gesprächig und berichtete davon, dass der Häuptling des Stammes, ein noch recht junger Mann, vor kurzem spurlos verschwunden war. Verwirrt hatte der Stamm noch ein wenig gewartet, ob er nicht wiederkam, denn niemand hatte gewusst, wer nach ihm Häuptling werden sollte, wurde bei diesem Stamm das Amt doch vom Vater auf den Sohn vererbt, und der junge Mann hatte noch keinen Sohn gezeugt.
Schließlich aber war zum ersten Mal seit drei Generationen wieder etwas beim Heiligtum in der Höhle geschehen: Die Wachen hatten eine Stimme daraus gehört, die dem Stamm aufgetragen hatte, in Wettkämpfen schnell einen neuen Häuptling zu wählen. Im Augenblick hielten diese Wettkämpfe noch an.
An dieser Stelle fragte Abtuul listig, dass der Stamm ja dann im Augenblick ziemlich schwach sein musste, wenn sie doch mit sich selbst beschäftigt waren und kaum Krieger fürs Kundschaften zur Verfügung hatten. Aprupt verstummte der Mann und erkannte seinen Fehler. Sein Blick ging zu seinen Waffen, woraufhin ihn Abtuul ohne weiteres angriff. Nachdem er den Kundschafter getötet hatte, nahm er sich dessen Kopf als Trophäe, hatte er doch immer noch etwas vorzuweisen, um wieder als Krieger zu gelten. Als Leomir nachhakte, erfuhr er von den beiden, dass der Andere das Gastrecht in dem Moment gebrochen hatte, als er den Gedanken gefasst hatte, sie anzugreifen, so dass es rechtens gewesen war, ihn zuerst anzugreifen. Er war wenig überzeugt, schwieg aber.
Kurz besprachen die beiden sich, und Abtuul hatte die Idee, dass sie einen anderen Stamm in der Nähe, oder vielleicht sogar zwei oder drei, gegen diesen Stamm aufhetzen konnten. Während dem Kampf sollte es dann ein leichtes sein, an das Zauberding in der Höhle zu gelangen. Dafür kam in der Umgebung praktisch jeder Stamm in Frage, denn alle waren schon mehr als einmal Opfer dieses Stammes geworden, der sein Gebiet aggressiv ausdehnte und alle anderen um sich herum verschlang.

"Er hat mich überrascht. Und hätte seine Frau nicht meinen Speer genommen, hätte ich seinen Kopf auf meinen Speer vor mein Zelt gestellt."
"Kein Grund zur Schande, Abtuul. Er hat danach auch mich unterworfen. Und er ist ein Mann. Sei stolz auf deinen Blutsbruder."

– Abtuul und Begum, Gespräch 1018 BF

Eine weitere Spur
Gegen Ende des Monds, am 20., erreichten die drei einen Stamm, der Abtuul als gut geeignet erschien, ihn zum Angriff aufzustacheln. Als sie am späten Nachmittag in des Lager traten, wurden sie freundlich begrüßt und vom Häuptling eingeladen, am Abend an einem Fest teilzunehmen. Als sie sich unter die Leute mischten, begann Abtuul sogleich, den Kriegern sein Anliegen schmackhaft zu machen, die zunächst aber eher zurückhaltend reagierten.
Leomir dagegen erspähte den Schamanen des Lagers und war sofort fasziniert, so dass er sich von Abtuul und Begum trennte und ihm in sein Zelt folgte - oder besser ihr, denn obwohl eigentlich nur Männer Schamanen werden konnten, handelte es sich hier offensichtlich um eine junge Frau, deren graue Augen auf eine Abstammung aus dem Tiefland hinwiesen.
Während draußen das Fest begann, zeigte Tarshabet, wie die Frau hieß, Leomir einige Gegenstände, die ihrem Vater aus dem Tiefland gehört hatten, in der Hoffnung, er könnte ihr mehr über diesen Mann erzählen. Und das konnte er: Als sein Blick auf den kurzen Stab fiel, war ihm sofort klar, dass es sich um einen Magier gehandelt haben musste. Und die kleine Fuchsstatuette, die ebenfalls zu seinem Besitz gezählt hatte, machte auch klar, was dieser Magier hier im Gebirge gewollt hatte: Leomir vermutete, dass er einer der Geweihten gewesen war, der nach dem Artefakt gesucht hatte, aber wie so viele vor ihm gescheitert war.
Der Grund für sein Scheitern behagte dem Gelehrten wenig: Wie Tarshabet erzählte, war ihr Vater von großen schwarzen Vögeln getötet worden, die sich urplötzlich auf ihn gestürzt und nicht mehr von ihm abgelassen hatten, bis sie ihn getötet hatten. Nachdem er diese Tiere schon einmal in Mherwed selbst gesehen hatte, stieg bei der Beschreibung ein Bild von Nachtwinden in Leomirs Kopf auf, die vielleicht zufällig auf den Magier gestoßen waren - vielleicht waren sie aber auch von der dunklen Macht ausgesandt worden, die das Artefakt hatte entführen lassen?

"Und der Nachtwind schlägt den Magier. Ganz einfach, oder?"

Khalid al Kherim, Vorstellung des neuen Brettspiels "Tulamidenreiche" bei Khadil Okharim 1018 BF

Erstes Zusammentreffen mit den Anbetern des Unsichtbaren
Gestört wurden die beiden nur zweimal: Das erste Mal kam der Häuptling zu ihnen ins Zelt geplatzt, und aus der Art, wie er die Schamanin anblickte und sich enttäuscht wieder zurückzog, konnte Leomir erahnen, dass die beiden wohl eine Art Beziehung hatten. Das zweite Mal rief Abtuul nach ihm und forderte ihn auf, sofort herauszukommen. Leomir sträubte sich, aber da die Stimme seines Gefährten sehr dringend klang, eilte er schließlich doch hinaus.
Abtuul drängte auf einen nochmaligen Aufbruch, weil ein Kundschafter Spuren von Kriegern gefunden hatte, die sich in großer Zahl dem Lager näherten. Sie mussten wohl zu dem Stamm der den Unsichtbaren anbetete gehören und gerade auf Angriffszug sein, und Abtuul wollte lieber früher als später herausfinden, wie weit sie noch vom Lager weg waren und wann sie angreifen würden. Leomir sollte seine Sachen packen und die beiden begleiten.
Es kam jedoch nicht soweit, denn just in diesem Augenblick fielen die Krieger auch schon ins Lager ein. Abtuul und Begum wollten sich sofort zurückziehen, aber Leomir bestand darauf, noch Tarhabet zu warnen, damit sie ihre Sachen packen und mit ihnen kommen konnte. Quälend lange dauerte es, bis die junge Frau endlich meinte, alles Wichtige bei sich zu haben, und eilig zogen sich die vier danach auf eine Anhöhe in der Nähe zurück, die sich gut würde verteidigen lassen.
Um die Feinde auf sich aufmerksam zu machen, brüllte Abtuul wüste Beleidigungen ins Tal hinab, doch die Angreifer waren offensichtlich nur darauf aus, Beute zu machen. Zwar erschlugen sie, wen sie erschlagen konnten, doch setzten sie nicht den vielen Frauen, Kindern und verletzten Kriegern nach, die sich nach und nach zu Füßen der Anhöhe versammelten. Stattdessen trieben sie Sklaven und Vieh zusammen und zogen sich dann wieder zurück.
Als die Kämpfer sich mit ihrer Beute jedoch zurückzogen, mussten Leomir und die anderen hilflos mitansehen, wie diese die Zelte entzündeten, so dass sich bald ein Feuer ausbreitete und das Lager verwüstete. Entsetzt wachten die Menschen die Nacht durch, bis schließlich die ersten Sonnenstrahlen auf Schutt und Asche fielen.

Oft wurde ich gefragt, warum ich den Feldzug ins Kalifat nicht als reinen Beutefeldzug geplant habe, also einfach nur die Verteidiger überrannt, alles Wertvolle an mich gerissen und mich dann wieder siegreich nach Al'Anfa zurückgezogen habe. Die Antwort ist eigentlich einfach: Wir sind Al'Anfaner, und keine Barbaren. Das al'anfanische Reich strebt nach Expansion, und ein beherrschtes Volk ist weitaus wertvoller als die paar kümmerlichen Schätze, die diese Wüstenkriecher so angehäuft haben. Noch dazu war Mherwed ein prachtvoller Ausgangspunkt für die Ausdehnung des Reiches hinein in die führerlosen Tulamidenlande.

Tar Honak, "Mein Krieg - wie ich ein Imperium erschuf" (unvollendete Autobiographie Tar Honaks, Eintrag von 1018 BF)

Ihr wollt gehen?!
Abtuul drängte schließlich darauf, wieder aufzubrechen, denn mit den Überresten dieses Stammes würde sich kein Angriff mehr durchführen lassen. Die Schamanin, die gerade dabei war, allein den toten Häuptling auf eine kleine Bergkuppe in der Nähe zu schleifen und ihren Aufbruch mitbekam, wandte sich wütend an die drei, dass sie den Stamm doch jetzt wohl kaum so einfach im Stich lassen konnten, nachdem dieser sie letzten Abend freundlich als ihre Gäste begrüßt und verköstigt hatten. Abtuul winkte nachlässig ab, aber als ihre grauen Augen Leomirs trafen, traf dieser die Entscheidung doch zu bleiben.
Diese Leute hatten nun wohl einen unbändigen Hass auf den anderen Stamm, den sie besiegen wollten. Wenn es nun gelänge, sie wieder kampffähig zu machen, würden sie wilder als alle anderen kämpfen, schließlich hatten sie nichts mehr zu verlieren, aber Familienmitglieder zu rächen. Leomir schlug vor, mit diesen Leuten einen weiteren Stamm aufzusuchen und mit diesem gemeinsam anzugreifen. Wieder blieb Abtuul skeptisch, bis sich Begum auf Leomirs Seite schlug, dann nickte er grimmig.
Da die Leute weiterhin nur apatisch herumsaßen, machten sich die drei zunächst auf die Suche nach versprengtem Vieh. Leomir fand ein Mutterschaf und sein Lamm lebend, was ihm einige Anerkennung brachte, während Abtuul mit einigen Leuten jede Menge Fleisch heranschaffte, das von Schafen stammte, die in der Dunkelheit bei ihrer panischen Flucht über einen Abhang gestürzt waren. Sofort wurde das Fleisch aufgeteilt und roh verzehrt, um wieder zu neuen Kräften zu gelangen. Begum dagegen fand nur einen Krieger des Stammes, der wohl weggelaufen war und sich dabei ein Bein gebrochen hatte.
Nachdem sie noch ein wenig ausgeruht hatten und die Nuranshâr das Totenlied für den Häuptling beendet hatte, machte sich die Gruppe noch am selben Tag auf den langen Marsch zum Lager eines benachbarten Stammes. Als sie wenig später das Abendlager aufschlugen, erklärten Abtuul und Begum laut, sie würden noch ein wenig den Weg erkunden, den sie am nächsten Tag nehmen würden. Da Leomir vermutete, dass die beiden in Wirklichkeit ein wenig allein sein wollte, ließ er sie ziehen und legte sich derweil schon einmal schlafen.

"Mein Geliebter Djershar, ich bin froh dass du bei Raschtula bist, aber ich denke oft an dich. Rascha schenkt mir immernoch Verlangen nach dir. Du wirst immer mein Mann bleiben."

– Tarshabet, Heimliches Gebet 1018 BF

Eine folgenreiche Entdeckung
Später in der Nacht wurde er wieder geweckt, als die beiden zurückkehrten und zwei Leichen neben sein Schlaflager fallen ließen. Kurz berichteten sie ihm, dass sie vermutet hatten, dass sie verfolgt wurden und deshalb noch einmal zurückgegangen waren. Tatsächlich hatten sie zwei Verfolger gefunden, die sie auch hatten überwältigen können. Leomir sollte sich die beiden einmal ansehen, während sie sich zur Nachtruhe begaben.
Angewidert machte sich Leomir daran, die schmutzigen Felle der beiden Toten nach irgendetwas zu durchwühlen, dass ihnen weiterhelfen konnte. Tatsächlich wurde er fündig, aber freuen konnte er sich nicht darüber: Um den Hals des einen Kriegers hing ein Lederband, an dem eine kleine, aus einem Knochen geschnitzte Statuette befestigt war, die einen liegenden gesichtslosen Mann zeigte. Sofort war Leomir klar, wen der Stamm in Wahrheit anbetete, und wieder einmal hatte er das Gefühl, dass diese ganze Sachen doch etwas zu groß für ihn war. Dennoch hatte er wohl keine Wahl, als weiterzumachen.
Schnell verstaute Leomir die Statuette wieder in den Fellen des Toten, wollte er sie doch nicht in seiner Nähe wissen. Am nächsten Morgen eilte er damit zur Schamanin, auf das die ihm sagen konnte, ob es sich um ein magisches Artefakt handelte, wie er vermutete. Sie war sich jedoch sicher, dass es sich nicht um ein "Zauberding" handelte, und so gab er es Abtuul und Begum, damit sie es zerstören konnten.
Als Begum mit ihrer Axt die Statuette in zwei hieb, geschah zunächst nichts, aber dann lief eine purpurne Flüssigkeit aus dem Hohlraum in ihrer Mitte. Während die vier noch überrascht darauf starrten, schoß plötzlich ein Wesen aus der Lache hervor, dass aus reinem Feuer gemacht schien: unruhig züngelte eine übermannsgroße Flamme vor ihnen auf und blickte mit einem wage menschenähnlichen Gesicht auf sie herab. Sofort spürte Leomir, dass dieses Wesen nichts Gutes bringen würde, aber statt die Gruppe anzugreifen, donnerte es, dass man ihm Befehle geben solle.
Alle standen wie erstarrt, nur Begum reagierte schnell und befahl dem Wesen, ihr zu folgen. Unter den entsetzten Blicken der anderen machte sie sich daran, einen in der Nähe liegenden Hang hinaufzuklettern, von dem aus man Abtuul zufolge fast zum Lager des feindlichen Stammes blicken konnte. Es war klar, dass sie ihn wohl auf die Ferkina dort hetzen würde, was Leomir ganz und gar nicht gefiel, aber jetzt war es zu spät, noch einzugreifen.
Mit einem unguten Gefühl in der Magengrube wartete Leomir, bis Begum endlich den Kamm erklommen hatte, hinter sich die Flamme, die auf seltsame Weise über den Grund hüpfte und Schwärze hinterließ, wo sie entlang kam. Oben auf dem Hügel zeigte Begum vage in die Richtung des anderen Lagers, und sofort machte sich die Flamme auf den Weg und kam so außer Sicht ihrer Gruppe. Nachdem die Frau zum Lager zurückgekehrt war, brachen sie wieder auf.
Am Abend versuchte Leomir, seinen beiden Freunden klarzumachen, dass es nicht rechtens war, einen Feind mit dessen Mitteln zu schlagen, wenn es bedeutete, solch widernatürliche Wesenheiten dafür zu gebrauchen, sondern dass sie ihn hätten wegschicken sollen, zurück dorthin, wo er hingehörte. Aber die beiden blickten nur verständnislos zurück: Wenn man in dieser harten, rauen Welt eine Waffe in die Hand bekam, die den Feind vernichten konnte, sollte man sie auch nutzen, alles andere konnte den eigenen Tod bedeuten.

Heute beim Ausflug habe ich etwas seltsames erlebt: Eine Flamme und ein Eiswesen, die sich erbittert bekämpft haben. Die Flamme schien mir unnatürlich zu sein, deswegen habe ich sie ausgepustet. Woher die wohl kam?

Rovena von Shamaham, Notizbuch 1018 BF

Ein gerechter Handel
Gegen Ende des Monds, am 25. Firun, erreichte Leomir mit den Ferkina das Gebiet des anderen Stammes, auf dem nun ihre Hoffnungen lagen. Eine kleinere Abgesandtschaft begrüßte sie schon einige Zeit bevor sie in das Hauptlager kamen, und Abtuul erklärte kurz ihr Anliegen und überreichte Gastgeschenke, um die Blutrache, die zwischen beiden Stämmen vorhanden war, für kurze Zeit zum Ruhen zu bringen.
Schließlich wurden sie zum Hauptlager geführt, und Abtuul, Begum, Leomir und die Schamanin wurden in das Zelt des Häuptlings gebracht. Dieser hatte ebenfalls seinen Schamanen bei sich sowie zwei Krieger, die dem Aussehen nach Zwillinge sein mussten. Leomir bestaunte den Häuptling überrascht, denn selbst im Dämmerlicht des Zeltes war klar zu erkennen, dass er nicht von den Ferkina stammen konnte, sondern ebenfalls ein Tiefländer sein musste. Mehr noch aber erstaunte den Gelehrten, dass der Krieger graue Haare hatte - nicht viele Häuptlinge wurden bei diesen Volk alt genug dafür.
Während Abtuul dem Häuptling noch einmal ausführlicher berichtete, was vorgefallen war und weswegen sie seinen Stamm aufgesucht hatten, lieferten sich die anderen Anwesenden Blickduelle. Leomir irritierte besonders der Blick des anderen Schamanen, der ihn intensiv musterte und dabei unablässig vor sich hinbrabbelte.
Nachdem Abtuul geendet hatte, wiegte der Häuptling ein wenig nachdenklich den Kopf und verkündete dann seine Entscheidung: Er hatte ohnehin geplant, den feindlichen Stamm in Kürze anzugreifen, Unterstützung aus anderen umliegenden Lagern war schon unterwegs. Der fast ausgelöschte Stamm Tarshabets durfte diesen Kriegszug begleiten. Jeder Mann, der dabei einen Gegner tötete, war auch weiterhin ein freier Mann und durfte unter den Frauen von Tarshabets Stamm eine für sich wählen. Alle anderen Männer würde nach dem Kriegszug zu Sklaven seines eigenen Stammes. Auch die Frauen, die die Männer nicht für sich gewinnen konnten, sollten versklavt werden. Eine Ausnahme bestand für Frauen, die selbst in den Krieg ziehen wollten. Dieses wurde ihnen gestattet, und sollten sie einen Gegner töten können, so konnten sie sich anschließend entscheiden, auch weiterhin als Krieger zu leben. Tarshabet presste die Lippen zu einer schmalen Linie zusammen ob dieser Bedingungen, doch dann stimmte sie zu - der Häuptling hätte sie auch genauso gut gleich zu Sklaven machen können, wenn er gewollt hätte, so war das ein guter Handel.

"Kämpft! Erkämpft euch eure Freiheit! Denkt dabei an das, was die Anhänger des Unsichtbaren uns angetan haben! Ich weiß, es wird schwer, aber Djershar beobachtet uns, und wir werden ihn nicht enttäuschen! Raschtula!"

– Tarshabet, Ansprache an die Überreste ihres Stammes 1018 BF

Ein Taktiker unter den Ferkina
Als alle anderen nach dem Gespräch das Zelt verließen, blieb Leomir noch sitzen und betrachtete nachdenklich den alten Mann. Es entspann sich ein Gespräch zwischen beiden, in dem Leomir erfuhr, dass sein Gegenüber einmal ein Offizier der Tulamidischen Reiter gewesen war, es ihn aber aus ungenannten Gründen in den Raschtulswall verschlagen hatte. Farsid, wie der ehemalige Söldner sich nannte, bat ihn, doch in Fasar niemandem von ihrem Treffen zu erzählen, für den Fall, dass ihn dort immer noch jemand vermisste - nur damit der arme Kerl sich nicht in den Raschtulswall aufmachte um nach ihm zu suchen und dabei umkam...
Wie sich herausstellte, hatte Farsid den Angriff einem Söldner entsprechend geplant, sogar einen kleinen Angriffsplan hatte er mit seinem letzten Pergament gezeichnet. Leomir reichte ihm weitere Pergamentbögen, auch wenn sie nicht lange reichen würden. Als er erwähnte, dass er Kartograph war und anbot zu helfen, sandte der Häuptling Leomir zu einem seiner Späher, aus dessen Berichten er eine grobe Karte des Hauptlagers ihres Angriffszieles zeichnete. Dabei erkundigte er sich auch vorsichtig, wo denn die Höhle lag, in der der Unsichtbare Gott lebte, und erfuhr, dass diese zwar abseits des Lagers lag, aber immer mindestens von drei Kriegern bewacht wurde. Da er keine andere Wahl zu haben glaubte, beschloss Leomir, sich beim Angriff vom "Hauptheer" zu trennen und mit Begum und Abtuul einen anderen Weg zur Höhle einzuschlagen, um die Wachen dort überraschen und überwältigen zu können.

Farsid: Deserteur; außerdem Unzucht mit fremden Frauen und Befehlsverweigerung.

– unbekannt, Liste der gesuchten ehemaligen Tulamidischen Reiter, Eintrag von 991 BF

Die Falle
In der Nacht plagten Leomir Alpträume von dunklen Schatten und feurigen Vögeln, die ihn jagten. Entsprechend müde war er am nächsten Morgen, und Begum konnte ihn nur mit einem Schwall Eiswassers wecken. Sofort schrak Leomir auf und erfuhr, dass alle gerade am Aufbrechen waren, denn die Unterstützung, auf die der Häuptling gewartete hatte, war endlich angekommen.
Zuvor aber wurden sie noch Zeugen, wie Farsids Schamane einen "Geist der Kälte" beschwor: Wie selbst Leomir unschwer erkannte, handelte es sich um einen Dschinn! Dieser rollte in Form einer Schneekugel neben dem Zug her, als die fünfzig bis sechzig Krieger der Ferkina schließlich aufbrachen, bereit, die Befehle des Schamanen auszuführen. Leomir kritzelte eifrig eine Notiz in sein Tagebuch, legte diese Beobachtung doch nahe, dass die Tulamiden der Dschinnenbeschwörung schon mächtig gewesen waren, ehe sie das Gebirge verlassen und eine Zivilisation gegründet hatten.
Später am Tag, als sie nicht mehr weit von ihrem geplanten Lagerplatz entfernt waren, ließ Farsid den Trupp plötzlich anhalten und auf Abtuul warten, den er als Späher vorausgeschickt hatte. Leomir bekam mit, wie sich Farsids eigener bester Späher - der nach dessen Beschreibungen Leomir einen Plan des Tals gezeichnet hatte - sich beschwerte, warum man nun auf den fremden Späher vertrauen sollte. Da trat ein kräftiger Krieger hinter ihn, und er wurde schnell still.
Schließlich kehrte Abtuul zurück und nickte. Daraufhin gab Farsid den Befehl, sich in zwei Gruppen aufzuteilen und den Feind zu umzingeln. Der Späher dagegen wurde erschlagen: Wie Leomir erfuhr, war er ein Verräter gewesen, der vorgehabt hatte, sie direkt in eine Falle zu locken. Abtuul hatte ihnen gerade die Gewissheit über die Falle gebracht, so dass sie nun den Spieß umdrehen und den Feind überraschen konnten.
Tarshabets Leute, Leomir, Abtuul und Begum blieben beisammen, und in ihrer Gruppe befand sich auch der Schamane mit seiner Schneekugel. Wenig später stürmte ihre Gruppe auf eine auf der Lauer liegende Gruppe von Ferkina zu, und Leomir war mittendrin, hatte er doch seine Ehre zu verlieren. Erst als er inmitten der schreienden Ferkina stand, fiel ihm auf, dass er keine Möglichkeit hatte, Freund und Feind zu unterscheiden, sahen die Barbaren doch für ihn alle gleich aus. Da wurde er selbst angegriffen, so dass er sich nicht mehr entscheiden musste. Er bekam zwei böse Wunden ab, konnte sich aber zumindest solange retten, bis Begum ihm zu Hilfe eilte und seinen Gegner wütend von hinten erschlug, als der Leomir gerade mit einer schwachen Frau verglich.

Ordentlich geführt, wären diese Ferkina eine furchterregende Streitmacht.

– Farsid, Notizbuch 999 BF

Abschied für immer
Nach dem Kampf stießen sie wieder zur anderen Gruppe, die ebenfalls einen Kampf mit dem Gegner gehabt hatte, und schlugen ihr Lager auf. Während Tarshabet Leomirs Wunden versorgte, erzählte sie ihm traurig, dass ihr Stamm - selbst wenn sich ihre Krieger behaupteten und frei blieben - Farsids Stamm eingegliedert werden würde, denn sie waren zu wenige, um allein zu überleben. Da Farsid aber schon einen Schamanen hatte, wurde sie damit überflüssig und wusste nicht, was sie nun tun sollte. Leomir bot ihr an, ihn doch noch ein wenig zu begleiten, vielleicht fiel ihnen ja noch eine Lösung ein. So verbrachten die beiden die Zeit des Marschs gemeinsam, und Leomir tröstete Tarshabet, wenn sie nachts wieder einmal aus einem Alptraum aufschreckte, in dem sie erneut den Untergang ihres Stammes durchlebte.
Am Tag bevor der Angriff stattfinden sollte, versperrte erneut ein Hindernis den Weg der Gruppe: Ein kleineres Lager lag auf ihrem Weg. Wenn sie es umgingen, würden sie zuviel Zeit verlieren und nicht mehr rechtzeitig mit ihrem Verbündeten angreifen können. Wenn sie angriffen, verloren sie möglicherweise einige Krieger, die sie noch für den eigentlichen Kampf brauchen würden - eventuell entkam sogar einer der Krieger und warnte das Hauptlager.
Noch während Farsid mit seinen Beratern (zu denen auch Tarshabet, Leomir, Abtuul und Begum gehörten) diskutierte, erhob sich plötzlich der Schamane und brach in Richtung des Lagers auf. Farsid schickte ihm Abtuul, Begum und Leomir hinterher, die unter Entsetzen mit ansehen mussten, wie der irre Schamane seinen Dschinn des Eises auf das Dorf losließ, der dieses kurzerhand komplett einfrieren ließ. Menschen versuchten noch schreiend zu entkommen, aber da verwandelte sich der Boden unter ihren Füßen in eine eisige Fläche, so dass sie stürzten und binnen weniger Augenblicke selbst zu reglosen, raureifüberzogenen Statuen wurden, während der Dschinn langsam mit der Eisfläche verschmolz. Angewidert wandten die drei sich ab und marschierten zu den anderen zurück, um ihnen davon zu berichten.
Leomir kam nicht umhin, ein wenig erleichtert zu sein, als wenigstens auch die Ferkina Entsetzen zeigten, als anschließend der gesamte Trupp durch das Tal zog. Sie mochten verroht sein, aber immerhin hießen sie solche Methoden ebenfalls nicht gut.
Am Abend berichtete Tarshabet Leomir, dass die Geister ihr ihre Zukunft gezeigt hatten: Sie war sich sicher, dass sie bei dem Kampf ums Leben kommen würde, um ihren Geliebten, den getöteten Häuptling, zu rächen. Leomir widersprach ihr heftig, dass der das mit Sicherheit nicht wollen würde und dass sie ihr Leben doch nicht einfach so wegwerfen konnte, aber Tarshabet ließ sich nicht davon abbringen, dass das ihr Schicksal sein würde und verabschiedete sich tränenreich von ihm. Bebend vor Wut und vor Trauer versuchte der Gelehrte die Schamanin umzustimmen, um dann wortlos davonzugehen, als ihm die Sinnlosigkeit seines Tuns bewusst wurde.

"Man kann sich seinen Schamanen nicht aussuchen." Alte Ferkina-Weisheit, sagen sie.

– Farsid, Notizbuch 1007 BF

Barbarische Rituale
Als Leomir am 30. Firun erwachte, befand sich das Lager um ihn herum schon in Aufruhr. Ein großer Kessel wurde aufgestellt, um den sich die Krieger versammelten. Ein Bulle wurder herangebracht, den der Schamane dann opferte, wobei er das Blut in den Kessel fließen ließ. Schließlich trat ein Krieger nach dem anderen vor, schnitt ein Stück des Bullen heraus, warf es in den Kessel und fügte dann ein wenig seines eigenen Blutes hinzu, indem er sich mit dem Messer in der Stirn ritzte. Auch Leomir nahm an dem Ritual teil, darauf bedacht, einerseits nicht zu wenig Blut zu vergießen, andererseits aber auch sein schönes Gesicht nicht dauerhaft zu beschädigen (was ihm auch gelang). Unter großem Jubel riss der Schamane als letztes dem Bullen das Herz heraus und warf es in den Kessel. Dann wurden Felle, Knochen und jede Menge Wasser hinzugefügt und die Suppe einige Stunden unte feierlichem Gesang kochen gelassen, während deren die Krieger ein letztes Mal ihre Waffen prüften oder sich anderweitig auf den großen Angriff vorbereiteten. Als der Eintopf schließlich unter den Kriegern verteilt wurde, bekam auch Leomir eine Kelle des Eintopfs, den er widerwillig hinunter würgte.
Als die Ferkina danach noch am Verdauen waren, ertönte plötzlich ein Urschrei aus den Bergen. Als Leomir aufschaute, erblickte er einen Krieger, der in das noch blutige Fell eines Bären gehüllt war. Der Kopf des Tiers befand sich noch am Fell und lag auf dem Kopf des Kriegers. Das musste einer der Besessenen des Ferkina-Volkes sein, von denen ihm seine Freunde schon erzählt hatten; Menschen, die angeblich über die Fähigkeit verfügte, den Geist eines Tieres in sich hinab zu rufen und damit ihre eigenen Fähigkeiten zu verstärken.
Ihm blieb nicht viel Zeit, darüber nachzudenken, denn der Bärenkrieger befahl dem Lager, sofort aufzubrechen und eilte dann auch schon wieder davon. Eilig folgten ihm die Ferkina.

Rohes Fleisch, verrückte Schamanen, Tierkrieger, Blutrituale, wilde Paarungen - man gewöhnt sich an alles.

– Farsid, Notizbuch 1007 BF

Der große Kampf
Nach weiteren zwei anstrengenden Stunden Marsch gelangten die Ferkina endgültig an ihr Ziel: Von einem Hang aus konnten sie auf das Lager des Feindes hinabblicken. Auf der anderen Seite waren schon undeutlich ihre Verbündeten zu erkennen, die nur auf ein Zeichen des Angriffs warteten.
Da verwandelte sich auf ihrer Seite der Bärenkrieger unter furchterregendem Gebrüll selbst in einen Höhlenbär und begann mit großen Sprüngen den Hang hinunter zu stürmen. Auf der anderen Seite tat es ihm ein Berglöwe gleich. Unten wurden die Ferkina auf den Angriff aufmerksam und griffen schnell zu ihren Waffen, doch dann brach auch schon ein Inferno über sie herein, als beide Gruppen von jeweils etwa 60 Kriegern in ihr Lager stürmten.
Leomir blieb mit Abtuul und Begum auf der Kuppe zurück. Geführt vom Kundschafter eilten die drei um das Tal herum in Richtung des Gletschers unterhalb dem die Höhle liegen sollte. Schließlich erspähten sie die drei Krieger, die unter einem Felsvorsprung Wache standen. Während Abtuul direkt über den Vorsprung sprang und angriff, kletterten Leomir und Begum jeweils auf einer Seite daran vorbei und stellten sich ebenfalls ihren Gegnern.
Leomir konnte seinen Gegner gerade noch davon abhalten, eine der Statuetten zu zerschlagen, aus der letztes Mal eine Art Feuerwesen herausgekommen war. Wieder zog er allerdings den kürzeren und wurde fast von dessen Speer zusammengestochen, als sein Gegner unbeabsichtigt auf die Statuette trat und diese knirschend unter seinem Fuß zerbrach. Wieder trat eine purpurne Flüssigkeit aus, und dann züngelten Flammen an dem Ferkina hinauf, der zu schreien begann und die Flucht ergriff. Vor Leomir baute sich wieder eines der Feuerwesen auf und fragte mit donnernder Stimme nach seinem Begehr. Leomir nahm all seinen Mut zusammen und befahl dem Ding, dorthin zurückzukehren, wo es herkam. Tatsächlich verschwand das Wesen, aber nicht ohne den Gelehrten darauf hinzuweisen, dass es ihm dieses eine Mal gehorchte, das nächstes Mal aber nicht so sein musste. Leomir schluckte und wandte sich um, um nach seinen Gefährten zu sehen.
Abtuul hatte seinen Gegner schnell besiegen können, aber Begum hatte gewisse Schwierigkeiten. Zwar war sie nicht schlimm verletzt, aber es war ihr auch nicht gelungen, ihren Gegner zu bezwingen. Die Männer sahen sich an, zuckten mit den Schultern und ließen die wütende Frau weiter mit ihrem Gegner ringen, während sie selbst sich mühten, eine halbwegs funktionierende Fackel zu bauen.

Wichtig ist bei der Dämonenbeschwörung vor allem eins: Ein starker Wille. Befiehl dem Dämon, oder beschwöre ihn erst garnicht. Wenn du ihn bittest, dir unsicher bist, Angst vor ihm hast, wird er dich zerreißen.

Demelioë Nandoniella Terbysios, Vorlesung in Brabak 1013 BF

Endlich am Ziel!
Als alle drei dann fertig waren, wandten sie sich dem Gang zu, der im hinteren Bereich der Höhle tiefer in den Hang führte. Abtuul ging voran und folgte einer Biegung, an der ein in die Wand gebranntes Skelett zu sehen war. Sie hielten inne, als eine Stimme aus dem nichts sie ansprach und sie aufforderte, sich ihm anzuschließen und das Kämpfen sein zu lassen. Als sie sich weigerten, erschien urplötzlich vor ihnen ein Wurfspeer und durchbohrte Abtuul, der röchelnd zusammenbrach. Mit einem Wutschrei warf Begum ihre Axt nach dem Unsichtbaren und traf anscheinend sogar, denn sie hörten einen Schmerzensschrei, einen Fluch und anschließend sich eilig entfernende Schritte.
Leomir fing derweil Abtuul auf und beugte sich besorgt über ihn, aber Begum zog ihm ihren Mann wieder aus den Armen. Wütend forderte sie ihn auf, weiter zu gehen und was auch immer dort wartete zu beseitigen, immerhin war das hier seine Aufgabe, für die Abtuul jetzt vielleicht sterben würde. Nun sollte er gefälligst dafür sorgen, dass es nicht umsonst war, während sie sich schon um den Verletzten kümmern würde.
Vorsichtig folgte Leomir weiter dem Gang und gelangte schließlich in eine mittelgroße Höhle, wo die große Statue eines gesichtslosen, liegenden Mannes seine schlimmsten Befürchtungen bestätigten. Er blickte sich um, ein stummes Gebet an Phex auf den Lippen, als ihm die Fackel entrissen und gelöscht wurde. Urplötzlich stand der Gelehrte im Dunkeln - was ihn jedoch nicht weiter störte, da er seinen Gegner ohnehin nicht hatte sehen können und es ihm nun leichter fiel, sich auf sein Gehör zu verlassen.
Seine Gebete wurden erhört, als gleich darauf sein Gegner anfing, ihn in ein Gespräch zu verwickeln - man konnte sich doch darauf verlassen, dass die eigenen Gegenspieler immer das Bedürfnis hatten, ihre Geschichte loszuwerden, ehe sie einen erschlugen. Schon nach wenigen Sätzen hatte Leomir erkannt, dass er es mitnichten mit einem erfahrenen Geweihten des Namenlosen zu tun hatte, sondern dass nur der unerfahrene, einfältige ehemalige Häuptling des Stammes vor ihm stand, der von sich glaubte, in die Fußstapfen seiner Vorgänger treten zu können, auch wenn niemand mehr dagewesen war, um ihn auszubilden.
Als sein Gegner ihm schließlich vorführte, wie imposant es klang, wenn er in der Höhle anfing zu brüllen und wie dann alle Angst vor ihm bekamen, nutzte Leomir den Lärm, um sich näher an den jungen Mann heranzuschleichen und ihn schließlich mit dem Stab von hinten zu würgen. Verzweifelt stemmte sich der Mann gegen Leomirs Griff, aber der verstärkte seinerseits seine Bemühungen und ließ nicht locker, bis sein Gegner lautlos vor ihm zusammensank.
Sofort packte Leomir den Kerl und schleifte ihn ans Tageslicht, wo er an dem immer noch unsichtbaren herumfingerte, um herauszufinden, was die Unsichtbarkeit verursachte. Ringe und Ketten trug der Mann keine, doch dann öffnete Leomir den kunstvollen Verschluss des Umhangs, den der andere trug, und ein Toter mit blauem Gesicht erschien vor ihm, gekleidet in einen wunderbaren schwarzgrauen Mantel. Eilig packte Leomir den Mantel weg und machte sich mit dem Toten auf den Weg ins Tal.

Nah! So nah. Aber zu spät, ich spüre es. Der Eine ruft mich zurück, eine andere Schlacht zu schlagen. Der Krieg geht weiter.

– Der Schatten, Notizbuch 1018 BF

Ausklang
Im Tal zerrte er den ehemaligen Häuptling zum zentralen Feuer, um ihn Farsid zu zeigen, dann machte er sich nervös auf den Weg, um die Schamanin Tarshabet zu finden - auf welche Art auch immer. Als er durch das Zeltlager streifte, in dem die Ferkina ihren Sieg feierten und sich über die viele Beute freuten, trat plötzlich Begum aus einem der Zelte, die er passierte. Sie winkte ihn hinein, wo Tarshabet neben einem Lager hockte, auf dem Abtuul lag - immer noch nicht wieder bei bewusstsein und trotz der Kälte schweißgebadet. Leomir wusste nicht, ob er sich freuen sollte, weil die Schamanin noch am Leben war, oder ob er weinen sollte, weil immer noch nicht klar war, ob Abtuul es schaffen würde. So hockte er sich einfach stumm daneben und hielt die Hand seines Freundes, um diesem Trost zu schenken. Schließlich sank er aber selbst erschöpft in den Schlaf.

"Raschtula! Ich habe verstanden. Ich werde deinen Auftrag erfüllen."

– Tarshabet, Gebet 1018 BF

Tsa Bearbeiten

Aufräumarbeiten
Am nächsten Morgen mühte sich Leomir auf, sich die Höhle noch einmal genauer anzusehen, in der er am vorigen Tag die Statue gesehen hatte. Er suchte zunächst im Eingangsbereich die noch heile Statuette, die einer der Wächter während des Kampfes verloren hatte, und nahm sie in Verwahrung. Dann erkundete er die eigentlich Höhle, wo er auch bald entdeckte, was mit dem letzten echten Geweihten des Namenlosen geschehen war: Die Reste fand er aufgespießt auf einem Stalagmiten. Als er sich in der näheren Umgebung genauer umsah, fiel ihm auf, dass der Fuß desjenigen hinter einem viel kleineren Stalagmiten festhing - da war wohl jemand "unglücklich gestolpert". Erleichtert seufzte Leomir und dankte Phex, dass er sich wenigstens nicht mit einem solchen Diener des dreizehnten Gottes hatte herumschlagen müssen.
Nachdem außer einer Krypta nichts weiteres von Interesse zu finden war, kehrte Leomir in das Lager zurück und bat Farsid, dafür zu sorgen, dass das Unheiligtum zerstört wurde. Die Statuette gab er Tarshabet, damit die sich überlegen mochte, wie sie sie unschädlich machen konnte.
Bang warteten die drei noch weitere Tage im Lager, bis klar war, dass Abtuul überleben würde und er auch wieder einigermaßen auf den Beinen war, so dass sie aufbrechen konnten. Leomir verabschiedete sich noch einmal von Farsid, dann brach er mit seinen Freunden auf, um zu seinem eigenen Stamm zurückzukehren. Unterwegs entsorgte Tarshabet die Statuette des Anhängers des Namenlosen, indem sie Begum bat, die Statuette zu zerschlagen, während sie sie so hielt, dass die purpurne Flüssigkeit in einen großen See tropfen musste.
Erschrocken beobachteten die vier, wie die Wasseroberfläche plötzlich zu schäumen und zu sprudelnd begann, doch der Spuk hielt nur kurz an, dann war wieder alles ruhig, und wenn eines der Feuerwesen erschienen war, dann war es jetzt jedenfalls verschwunden. Als seinen Gefährten an einem weiteren See anhielten, um sich ein wenig zu waschen, zierte sich Leomir, denn die "Narben", die ihm Lahileh verpasst hatte, waren nach der langen Zeit verschwunden, und es war ihm nur recht, dass ein dicke Schicht an Dreck sein Gesicht bedeckte und diesen Umstand verbarg. Die anderen zeigten jedoch keine Gnade und schleiften den schreienden Gelehrten schließlich doch ins eisige Wasser - und bemerkten natürlich, dass er irgendwie anders aussah.
Zunächst glaubte Leomir, dass sie sich nun von ihm abwenden würden, hatte er sie doch angelogen und ein wichtiges Ritual der Ferkina nur vorgetäuscht, doch dann ergriff Begum für ihn Partei, die einwand, dass er zwar nicht so aussehen mochte, aber verhalten hatte er sich in der letzten Zeit wie ein echter Ferkina-Krieger, und so war er auch einer für sie. Abtuul und Tarshabet stimmten ihm schließlich zu, und gemeinsam legten sie sich einen Plan zurecht, wie sie Leomir einigermaßen vor Blicken verbergen konnten, wenn sie ins Lager zurückkehrten: Tarshabet zauberte ihm ein Bild der alten Narben sowie ein paar neuen (was sie dabei murmelte, kam Leomir irgendwie bekannt vor, aber er konnte es nicht greifen), und man legte den Zeitpunkt der Ankunft so, dass Leomir erst einmal im Zelt verschwinden und sich von Lahileh neue Narben machen lassen konnte.

"Oh Phex, passt du auch gut auf meinen Leo auf? Ich übernehme im Tempel auch ein paar Aufgaben mehr, in Ordnung? Aber bring mir doch bitte meinen Leo wieder heil zurück?"

– Fayrishe, Gebet 1018 BF

Das Blutbrüder-Ritual
Als die vier Mitte Tsa endlich das Lager ihres Stammes erreichten, wurde besonders Abtuul aber auch Leomir herzlich begrüßt. Schnell verzogen sich die vier in das kleine Zelt, um sich von der langen Reise auszuruhen. Am nächsten Morgen bestand der Schamane darauf, sofort das Ritual zu vollziehen, dass Leomir und Abtuul zu Blutsbrüdern machen würde, aber Abtuul vertröstete ihn, bis Lahileh fertig war, dem Gelehrten wieder ein paar Narben aufs Gesicht zu zaubern. Dann wurden beide Männer von ihren Frauen hergerichtet und in ihre besten Pelze gekleidet (was bei Leomir die üblichen waren, denn mehr besaß er nicht).
Gemeinsam stiegen beide schließlich zur Höhle des Schamanen hinauf, der sie schon erwartete. Er wandte sich Leomir zu und fragte ihn noch einmal ernst, ob ihm wirklich bewusst war, was er hier gerade zu tun gedachte, welche Verantwortung er übernehmen würde: Er würde sobald das Ritual einmal vollzogen war, für den Stamm - seinen Stamm - einstehen müssen und der Stamm genauso für ihn. Besonders aber würde er für Abtuul einstehen müssen, all seine Taten würden auf den Krieger zurückfallen so wie dessen Taten auf ihn.
Leomir nickte nur grimmig und bedeutete dem Mann fortzufahren. In einer mehrstündigen Zeremonie fügten sich die beiden Männer immer wieder gegenseitig Schnitte zu, unter Anleitung des Schamanen, der sich wieder in tiefer Trance befand. Am Ende schnitt jeder dem anderen tief in den rechten Oberarm, so dass das Blut nur so herausströmte und sie es immer wieder vermengen konnten. Außerdem zeichneten sie sich damit Muster auf die Gesichter, während der Schamane weiter vor sich hinsang oder leise flüsterte.
Schließlich war das Ritual beendet, und Leomir und Abtuul traten wieder vor die Höhle. Im Grunde fühlte der Gelehrte sich nicht anders als sonst, aber Abtuul machte ihm sogleich klar, dass das Ritual sehr wohl gewirkt hatte: Er schlug sich selbst in den Magen und krümmte sich dann vor Schmerzen, woraufhin auch Leomir einen dumpfen Schmerz im Bauch verspürte. Wo immer sie sich auch befanden, von nun würde der andere spüren können, wie es ihnen erging. Mit steigender Entfernung nahm die Intensität der Gefühle sicher ab, aber starken, anhaltenden Schmerz oder überschäumende Freude sollte der andere immer noch spüren können.

"Bring dich nicht in Schwierigkeiten da unten im Tiefland. Könnte sonst eine Weile dauern bis ich bei dir bin."

– Abtuul, Gespräch mit Leomir 1018 BF

Phex Bearbeiten

Zurück in der Zivilisation
Seine Gefährten baten Leomir, noch länger bei ihnen zu bleiben, und besonders Abtuul, dem er sich nun auch sehr verbunden fühlte, konnte Leomir diesen Wunsch nicht ohne weiteres abschlagen, so dass er noch bis Mitte Phex im Raschtulswall blieb. Erst dann kehrte er nach Fasar zurück, um endlich seine Aufgabe zu erfüllen.
Die ersten Tage nutzte er jedoch dazu, seine Rückkehr in die Zivilisation zu genießen und sich selbst wieder ansehnlich zu machen. Er schlief viel in seinem weichen Bett im Burj al'Funduq, badete ausgiebig und begab sich zum Haarkünstler und Barbier.
Bei seinem Besuch im Phextempel überraschte ihn Füchschen, die dort als Türsteherin arbeitete - was bedeutete, dass sie mittlerweile eine Geweihte des Listigen geworden war. Überglücklich berichtete sie ihm, dass sie als Geweihtennamen "Füchschen" gewählt hatte - weil ihr die Art und Weise gefiel, wie er diesen Namen beim Liebesspiel flüsterte...
Weiterhin erfuhr der Gelehrte, dass sich tatsächlich eine Frau zu einer neuen Erhabenen aufgeschwungen hatte. Sie nannte sich "die Generälin der Unbeugsamen", stammte auch dem Mittelreich und hatte sich im Unterfeld eingenistet - mehr konnte er jedoch nicht herausfinden, so dass er die Sache auf sich beruhen ließ.

"Offensichtlich kommen wir so nicht weiter. Da gibt es nur eine Lösung: Wir richten uns hier eben ein und gründen eine neue 'Erhabene Macht'. Was anderes scheinen die Fasarer ja nicht zu verstehen."

– Caldja von Alcortas, Gespräch mit ihren Offizieren 1018 BF