Rezension von Krassling (2009):
Alle Jahre wieder kommen sie hernieder und fahren dann zum RatCon hin. Nachdem FanPro 2007 die Unterstützung des Goldenen Bechers eingestellt hatte, begann man noch im gleichen Jahr für den Hauskonvent in Dortmund einen eigenen Wettbewerb auf die Beine zu stellen. Leider kann das Ereignis nicht mit einem klangvollen Namen aufwarten, dennoch ist auch hier das Interesse der Fanboys gesichert, denn immerhin winkt den Siegern die Aussicht auf eine Veröffentlichung in einer Abenteueranthologie. Wer jetzt schon innerlich zu stöhnen begonnen hat, der ist genau richtig, denn um eben jene Anthologie handelt es sich beim vorliegenden Band.
Interessant bei einem solchen Wettbewerb sind natürlich immer die Rahmenbedingungen, damit man zumindest in etwa eigene Erwartungshaltung und bezahltes Ergebnis miteinander in Einklang bringen kann. Etwas verkürzt kann man das Thema des Wettbewerbs mit "Einsteiger treffen auf Mindergeister" beschreiben. Spielbar sollten die Abenteuer allein mit dem Basisbuch (2006) sein und sollten zudem zumindest teilweise in der Wildnis spielen. Vor diesem Hintergrund wundert es nicht, dass die Siegerabenteuer alle in der Region Nostria und Andergast spielen, welche auch im Basisbuch ausführlicher beschrieben wird. Die Mindergeister als Element der Abenteuer versprechen humorige Momente, während ich keine Hinweise auf die Rätselelemente, die in allen Abenteuern zumindest in irgendeiner Form vorhanden sind, in den Vorgaben gefunden habe.
Die Vorgaben als solche erscheinen zunächst einmal gut geeignet, um tatsächlich Abenteuer zu generieren, die auch für Einsteiger in die Welt des Schwarzen Auges geeignet sind. Für meine Begriffe beißen sich diese Vorgaben allerdings mit den üblichen Anforderungen an Anthologieabenteuer. Dennoch ist die Chance, drei Abenteuer für elf Euro zu erhalten, sicher ein interessantes Angebot für Einsteiger, zumal hier die seltene Chance besteht, den Band auch komplett zu spielen, ohne sich über umständliche Versatzstücke Gedanken machen zu müssen.
Schlachtfest
Für das Schlachtfest begeben sich die Helden in ein kleines Dorf im Steineichenwald, um dort den lokalen Bräuchen beizuwohnen. Doch bei der magischen Zeremonie, welche den Kern der rituellen Feierlichkeiten bildet, geht etwas schief, und die Helden werden mit der Aufklärung beauftragt. Da das atypische Verhalten eines kleinen Mindergeistes noch nicht unbedingt Anlass für dramatische Spekulationen gibt, können auch gänzlich unerfahrene Helden hier ihren Einstand finden. Der Autor berücksichtigt an dieser Stelle auch die Möglichkeit lokaler Helden, die in besagtem Dorf ihre Heimat haben.
Die Reise zur Quelle des Abenteuers werden mit ein paar kleineren Zufallsbegegnungen gewürzt. Besonders gewitzt ist hier die Einbettung des Mindergeistes als magischer Kompass. Doch am Ziel sind die Helden damit noch lange nicht. Zunächst gilt es ein Rätsel zu lösen, das hier als klassisches Kombinationsrätsel ausfällt, für das die Spieler keine umfangreichen Hintergrundkenntnisse benötigen. Mit den ortsansässigen Goblins müssen die Helden verhandeln, um anschließend einen kleinen Einsteigerdungeon zu erkunden. Bis dahin eine recht gelungene Kombination von Elementen, die Helden mit verschiedensten Interessen fordert. Etwas bedauerlich ist der Eingriff des Einhorns am Ende, das hier den Helden die weitere Arbeit abnimmt. Aventurisch gesehen wird die Figur aber benötigt, um die machtvolle magische Komponente im Hintergrund plausibel zu machen.
Es gelingt dem Autor Stefan Unteregger, sein Abenteuer thematisch sehr schön in das märchenhafte Setting der Einsteigerregion Andergast einzubetten. Er zeigt dabei eine Liebe zum Detail, die gerade unerfahrene Meister besonders dankbar annehmen dürften, und liefert auch einige Hinweise speziell für neu zusammengestellte Gruppen.
Die Expedition des Doctor Rahyad
Das zweite Abenteuer des Bandes lassen die Albiez mit einem Klassiker des Abenteuer-Genres beginnen. Per Aushang erfahren die Helden von einem potentiellen Auftraggeber, der für eine spinnerte Expedition ein paar zuverlässige Leute anzuwerben wünscht. Eine Tavernenszene später sind die Helden Teil einer Expedition in die andergastsche Wildnis. Zu Beginn wirkt die Geschichte noch etwas schwerfällig, und der Meister wird etwas unglücklich durch die Handlung navigiert. Bis die Helden dann irgendwann auf der richtigen Fährte sind, kann einige Zeit vergehen. Dann erwartet die Helden allerdings eine ausgedehnte Reise durch die nostragastsche Wildnis.
Die Rivalitäten der ansässigen Lokalpatrioten wird dabei in der typisch augenzwinkernden Manier aufgegriffen, die einst so bezeichnend für die streitenden Königreiche war. Zwei konkurrierende Gruppen heften sich an die Fersen der Helden und beschwören teils aberwitzige Situationen herauf. Bis hierhin macht das Abenteuer noch einen runden Eindruck. Am Ziel der Reise angelangt, stoßen die Helden auf eine Situation, die sich zunehmend komplex gestaltet. Nicht weniger als sechs verschiedene Parteien bringen die Autoren hier ins Spiel. Dies ist nicht nur für ein Einsteigerszenario eine beachtliche Zahl. Folgerichtig gelingt es auch kaum, die Situation so aufzubereiten, dass die diversen Optionen hier unterstützt würden. Hier wäre der Einsatz einer Beziehungskarte sicher hilfreich gewesen.
Der offene Ansatz der Ausgangssituation mit verschiedenen Parteien wird dadurch wieder zunichte gemacht, dass die Autoren hier einen bestimmten Lösungsweg vorgeben und andere Varianten einfach links liegen lassen. Für alle anderen Fälle, so heißt es im Abenteuer, "müssen Sie natürlich improvisieren. [...] Eine Hilfe dazu können wir leider nicht anbieten." Auch wenn sich das Finale nun auf einen einzigen Lösungsweg verengt, gelingt es dem Autorenduo hier, mit einer Rätselkomponente noch einmal einen schönen Akzent zu setzen. Der Abschluss des Abenteuers gestaltet sich wiederum etwas eigenwillig. Die Lösung scheint auf der Hand zu liegen - und doch erscheint die Lage bei genauerem Hinsehen nicht so einfach, wie es zunächst den Anschein hat.
Dies hängt zumindest teilweise mit der etwas ungewohnten Konstellation zusammen. In der Rolle der Opposition besetzen die Albiez eine Gruppe von Zwergen. Dies mag zwar selten, aber nichtsdestotrotz schlüssig sein. Ohne Erklärung und leider auch völlig unnötig wird der Opposition eine Garnison von Orks beiseite gestellt. Vielleicht soll dies ja eventuelle Bedenken der Helden zerstreuen, sollen sie doch nach dem Willen der Autoren die ganze Siedlung der Zwerge zerstören und dabei etliche ihrer Bewohner mit in den Tod reißen. Da klingt es fast schon zynisch, wenn es am Ende des Abenteuers heißt, dass die meisten Zwerge dem Tod entgehen, die Orks jedoch durch den Eingriff der Helden getötet werden.
Die Expedition in die Andergastsche Wildnis kommt mit einigen netten Elementen und Ideen daher, ist für mich aber das schwächste Abenteuer des Bandes. Die Strukturen sind nicht zuletzt durch die etwas sperring gestalteten Texte schwierig. Gerade bei einem Einsteiger-Abenteuer halte ich das für unerfreulich und vermeidbar.
Die Geister, die ich rief
Dieses Abenteuer, welches im Original noch Die Excursion hieß, spielt ganz massiv mit dem Vorkommen von Mindergeistern. Diese sind hier fast durchgängig vertreten und können vom Meister immer wieder ins Spiel gebracht werden. Den Einstieg für die Helden stellt die Jagd auf einen Goblin dar, welcher den Freiherrn von Eichhafen bestohlen hat. Damit ist für eine Motivation gesorgt, die den Helden genügend Freiraum lässt, ganz nach Belieben zu agieren. Neben der stattlichen Belohnung winkt hier auch gleich der Ruhm der Tat für wahre Helden.
Auf der Suche werden die Helden immer wieder mit dem Auftreten von Mindergeistern konfrontiert. Der Meister hat hier also die Möglichkeit, alle Register bei der Ausgestaltung der minderen Elementarmanifestationen zu ziehen. Die beigefügte Würfeltabelle kann sicher eine Hilfe sein, gehören ja gerade die Mindergeister zu jenen Wesenheiten, bei denen der Kreativität keine Grenzen gesetzt sind. Die Schnitzeljagd der Helden nimmt dabei dank der Geister bisweilen komische Züge an, doch nach und nach kommt man dem 'Goblin mit den sechs Messern' immer näher. Am Ende können die Helden dann den Dieb stellen und sogar den Ursprung all der Geistererscheinungen finden.
Vom Ansatz her ist Klaus Heckmann hier ein sehr schönen Abenteuer gelungen. Stellenweise verliert man ein wenig die Übersicht, da die vielen Überlandreisen immer wieder ausgeschmückt werden, sich Ortsbeschreibungen mit Ereignissen abwechseln und die Texte so ungeordneter wirken, als sie es eigentlich sind. Offene Abenteuer dieser Art lassen sich im städtischen Raum manchmal leichter bewältigen, da hier die Wegbeschreibungen zwischen den Orten in der Regel wegfallen. Dafür bindet Heckmann jedoch immer wieder kleine Begegnungen und Ereignisse ein, die sehr schön das lebendige Aventurien illustrieren und die Spielwelt sehr viel bunter machen.
Eine besondere Erwähnung verdient Die Geister, die ich rief noch wegen der zahlreichen heiteren Elemente. Humor ist hier natürlich ein wichtiger Bestandteil, sind doch die zahlreichen Mindergeister immer wieder Anlass zum Lachen. Aber auch der Bauer, der von sieben Gestalten mit Zipfelmützen berichtet, die singend durch den Wald liefen, wird zumindest am Spieltisch den einen oder anderen Lacher wert sein. Dem Autor gelingt es hier, sein Abenteuer in einer lockeren Art mit Witz anzureichern, die dem Ganzen eine angenehme Leichtigkeit verleiht. Und wenn die Helden nicht spätestens am dritten Ort von selbst nach einem 'Goblin mit sechs Messern' fragen, dann sind sie wohl selber Schuld.
Fazit:
Auch wenn das Cover von Mia Steigräber nicht unbedingt zu ihren Besten gehört, erhält der Kunde doch mit dem Flüstern der Wälder drei gelungene Einsteiger-Abenteuer zum kleinen Preis. Die Expedition des Doctor Rhayad kommt stellenweise zwar etwas hölzern daher, doch alle Abenteuer verwenden große Sorgfalt darauf, den Einsteiger anzusprechen, und im letzten Abenteuer des Bandes werden auch wieder die heiteren Elemente der Spielwelt bedient, die sonst zu kurz kommen.
Im Innenleben ist weiterhin auffällig, dass die Zeichnungen von Elke Broska und Sabine Weiss gut harmonieren, während die dunklen Schwarzmalereien in Untereggers Abenteuer irgendwie depressive Wirkung auf mich entfalten. Bedauerlich ist aus meiner Sicht auch, dass man den Abenteuern insgesamt keine ausreichende redaktionelle Nacharbeit hat angedeihen lassen. Eine einheitlichere Struktur und etwas Unterstützung bei der Gliederung der Texte hätte sicher nicht geschadet. Für Neulinge beim Schwarzen Auge ist es sicher sehr zu begrüßen, dass die Abenteuer alle mit ähnlichen Anforderungen an Ort und Helden zu spielen sind und sich leicht miteinander verknüpfen lassen. Dennoch wäre ein kurzes Vorwort und Hinweis auf der Rückseite über die Zielsetzung des Wettbewerbs in meinen Augen keine Platzverschwendung gewesen. Es erscheint mir immer noch seltsam, dass ich jedes Mal wieder die Wettbewerbsbedingungen recherchieren muss, um überhaupt herauszufinden, was das Thema des auf den Rückseiten eigens ausgewiesenen Wettbewerbs war.
In der abschließenden Wertung kann Flüstern der Wälder mit einer soliden, jedoch keineswegs herausragenden Leistung aufwarten. Mit 6 Punkten liegt der Band immer noch leicht über den durchschnittlichen Anforderungen, kann in seiner Gesamtheit für mich persönlich jedoch den neuntplatzierten Begeisterten Neuanfang (2008) nicht übertreffen.