Rezension von Marc Völker (2005):
Vierzehn Jahre scheint heutzutage eine Zahl von besonderer Bedeutung zu sein. Vierzehn Jahre nach Thorwal - Die Seefahrt des Schwarzen Auges erschien die Nachfolgepublikation Unter dem Westwind. Und vierzehn Jahre nach Die Wüste Khom und die Echsensümpfe erschien nun die (Teil-)Nachfolgepublikation Raschtuls Atem. In Die Wüste Khôm und die Echsensümpfe wurde seinerzeit der gesamte Raum zwischen Yaquir, Horasreich und den Südlichen Regenwäldern behandelt. In der Zwischenzeit wurde Aventurien allerdings wesentlich mehr Leben eingehaucht. Daher hat man sich bei FanPro entschieden, die Region in zwei Regionalbescheibungen aufzuteilen. Raschtuls Atem behandelt die Wüste Khôm, die Echsensümpfe und (bisher noch nirgends detailliert beschrieben) den südlichen Raschtulswall, also letztendlich die Wildnis des tulamidischen Raums. Der städtische und zivilisierte Teil der Tulamidenlande wird zu einem späteren Zeitpunkt in der Publikation Land der Ersten Sonne behandelt werden.
Das Buch beginnt mit einem allgemeinen Überblick über das Land zwischen Raschtulswall und Echsensümpfen. Insbesondere werden dem Spielleiter hier Regeln an die Hand gegeben, um Reisen und Gefahren der einzelnen Regionen authentisch darstellen zu können. Der nächste Abschnitt widmet sich der Geschichte der Tulamiden und der Echsen, beginnend mit Pyrdacor, bis hin zur Gegenwart. Es folgt in 20 Kapiteln die eigentliche Regionalbeschreibung, an die sich Einblicke in die Lebensweise der Novadi, der Ferkinas und der Achaz anschließen. Weiter geht es mit einem kurzen Ausblick auf andere Rassen zwischen Raschtulswall und Selemgrund, Persönlichkeiten der Region und Mythen und Geheimnissen (Mysteria et Arcana). Abschlossen wird das Buch mit speziellen Professionen der Region, Empfehlungen zur Vertiefung des regionalen Flairs und schließlich dem Index für das 191 Seiten dicke Werk.
Eigentlich ist Raschtuls Atem als Regionalbeschreibung ein Quellenbuch, von dem man sich lediglich interessante Informationen erwartet. Dennoch gelingt es den Autoren hier so etwas wie einen ganz subtilen Spannungsbogen zu erzeugen. Da Buch liest sich meiner Meinung nach mehr wie ein Roman als wie ein Sachbuch. Ich musste mich jedes Mal mit Gewalt losreißen ("Bitte nur noch eine Seite ..."). Ferner gelingt es den Autoren durch ihren Schreibstil und die Wortwahl ein zum Buch passendes Flair zu erzeugen. Man fühlt sich beim Lesen selbst wie in 1000 und eine Nacht versetzt.
Positiv fällt auch eine Veränderung am Layout auf, wobei nicht klar ist, ob diese Veränderung dauerhaft sein wird, oder lediglich diese Publikation betrifft: Die Autoren heben immer wieder Texte hervor, die für das Rollenspiel von besonderem Interesse sind. Hierbei handelt es sich z.B. um Ereignisse, die für das Spiel besonderes relevant sein könnten (z.B. Thalionmels Opfer), aber auch einfach um Ereignisse, die in einem offiziellen Abenteuer nachgespielt werden können (z.B. die Entdeckung Tie'Shiannas). Der Haken bei letzterem ist, dass eben diese Abenteuer fast ausnahmslos vergriffen sind. Jemandem Appetit zu machen und ihn dann nach der Vorspeise sitzen zu lassen, ist nach meiner Meinung nicht die feine Art. Da eine echte Neuauflage der vergriffenen Abenteuer wohl nicht realisierbar ist, sollte man bei FanPro vielleicht darüber nachdenken, die Abenteuer als eBook neu aufzulegen. Ich denke, dass sich in der Spielergemeinde sicher willige Helfer für eine entsprechende Überarbeitung finden.
Grundsätzlich kann man bei dieser Regionalbeschreibung (wie mittlerweile fast schon obligatorisch) bedenkenlos zugreifen. Für Sammler ist das Buch ein Muss. Ebenfalls interessant sein dürfte Raschtuls Atem natürlich für Freunde der Region, für Novadispieler und natürlich für Spielleiter, die in der Region Abenteuer im Sinn haben. Vom mir erhält Raschtuls Atem 9 von 10 möglichen Punkten.