Benutzer:StipenTreublatt/Artikel 13

aus Wiki Aventurica, dem DSA-Fanprojekt

Worum geht es?[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Europäischen Parlament wird derzeit eine Urheberrechtsreform ausgearbeitet. Im April soll über den bisher ausgehandelten Text im Parlament abgestimmt werden - würde der Text angenommen werden, würde er europäisches Recht, das innerhalb der nächsten zwei Jahre von den Parlamenten der Mitgliedsstaaten in nationales Recht umgesetzt werden müsste.

Besonders Artikel 11 und Artikel 13 der Reform werden öffentlich kritisiert, und es steht die Idee im Raum, das Wiki Aventurica an einem organisierten Protest gegen Artikel 13 am 23. März zu beteiligen.

Was ist das Problem mit Artikel 13?[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Rechtsanwalt Christian Solmecke setzt sich in den folgenden beiden Videos intensiv mit dem Text des Artikel 13 auseinander.

Artikel 13 - Dieses Chaos haben wir jetzt! RA Solmecke (50 min Video)
Artikel 13: Deswegen ist er nicht praxistauglich!

Im Folgenden die (mMn) wichtigsten Fakten in Textform.

Zuerst muss man sich die Definition der im Dokument verwendeten Begriffe anschauen. Für uns relevant ist Paragraph 2.5.


‘online content sharing service provider’ means a provider of an information society service whose main or one of the main purposes is to store and give the public access to a large amount of copyright protected works or other protected subject-matter uploaded by its users which it organises and promotes for profit-making purposes.

Providers of services such as not-for profit online encyclopedias, not-for profit educational and scientific repositories, open source software developing and sharing platforms, electronic communication service providers as defined in Directive 2018/1972 establishing the European Electronic Communication Code, online marketplaces and business-to business cloud services and cloud services which allow users to upload content for their own use shall not be considered online content sharing service providers within the meaning of this Directive.

– EU, vorgeschlagene Reform

Artikel 13 nimmt an mehreren Stellen Bezug auf „online content sharing service provider“. In obigem Text wird festgelegt, dass damit nur kommerzielle Anbieter gemeint sind, deren Hauptgeschäft es ist, große Mengen an urheberrechtlich geschütztem Material anzubieten, das von Nutzern hochgeladen wird. Damit fallen Plattformen wie das Wiki Aventurica oder das DSA-Forum schon mal aus dieser Definition heraus - beide Projekte sind nicht kommerziell. Das Wiki würde eventuell sogar unter „not-for profit online encyclopedia“ fallen, für die explizit eine Ausnahme gemacht wird.

Alles Folgende betrifft also das Wiki Aventurica nicht direkt, allerdings kann die Schwelle, als „kommerziell“ zu gelten, sehr gering sein. Eine Werbeeinblendung zur Deckung der Serverkosten könnte eventuell schon reichen, damit eine Plattform als „kommerziell“ eingestuft wird. Somit würde diese Reform auch viele kleine Anbieter treffen - Herr Solmecke nennt im zweiten Video oben seine eigene kleine Bilderplattform mit einem Gewinn von 50 € pro Monat als Beispiel für eine Plattform, die betroffen wäre.

Das erste Problem tritt in Paragraph 13.1. auf.


Member States shall provide that an online content sharing service provider performs an act of communication to the public or an act of making available to the public for the purposes of this Directive when it gives the public access to copyright protected works or other protected subject matter uploaded by its users.

An online content sharing service provider shall therefore obtain an authorisation from the rightholders referred to in Article 3(1) and (2) of Directive 2001/29/EC, for instance by concluding a licencing agreement, in order to communicate or make available to the public works or other subject matter.

– EU, vorgeschlagene Reform

Herr Solmecke spricht ausführlich darüber, dass hier nicht klar wird, mit wem und wann ein „online content sharing service provider“ Verhandlungen aufnehmen soll. Er hält es für möglich, aus diesem Text zu folgern, dass Anbieter mit jedem möglichen Rechteinhaber Lizenzvereinbarungen für alle möglichen Werke abschließen müssen - was natürlich unmöglich ist, und zudem Paragraph 13.4. überflüssig machen würde. Der gesamte zweite Teil scheint schlecht formuliert worden zu sein, und überschneidet sich zudem mit Paragraph 13.4., in dem noch einmal davon gesprochen wird, dass die Anbieter versuchen sollten, Lizenzen einzuholen. Gemeint ist wohl, dass der Anbieter vor dem Veröffentlichen eines Werks eine Lizenz für genau dieses Werk erwerben soll.

Der Paragraph 13.4. ist das Herzstück des Artikels 13:


If no authorisation is granted, online content sharing service providers shall be liable for unauthorised acts of communication to the public of copyright protected works and other subject matter, unless the service providers demonstrate that they have:
(a) made best efforts to obtain an authorisation, and
(b) made, in accordance with high industry standards of professional diligence, best efforts to ensure the unavailability of specific works and other subject matter for which the rightholders have provided the service providers with the relevant and necessary information, and in any event
(c) acted expeditiously, upon receiving a sufficiently substantiated notice by the rightholders, to remove from their websites or to disable access to the notified works and subject matters, and made best efforts to prevent their future uploads in accordance with paragraph (b).

– EU, vorgeschlagene Reform

Hier wird nun festgelegt, dass „online content sharing service providers“ für die unlizensierte Inhalte, die von den Nutzern hochgeladen werden (siehe 13.1.), verantwortlich gemacht werden können. Dies ist die große Neuerung, die für Anbieter das Risiko, für Rechtsverstöße der Nutzer zur Verantwortung gezogen zu werden, extrem erhöht.

Anbieter können es laut diesem Absatz allerdings vermeiden, zur Verantwortung gezogen zu werden, wenn sie (a), (b) und (c) erfüllen. (b) und (c) führen zu den vieldiskutierten „Upload-Filtern“, wobei (c) schon heute Gesetz ist - wenn ein Rechteinhaber die Löschung seines Materials verlangt, muss der Anbieter diesem Wunsch nachkommen - und (b) z.B. von Youtube auch heute schon verwendet wird („Content-ID“-System).

„Upload-Filter“ sind zwar nicht die einzige Möglichkeit, (b) und (c) zu erfüllen, aber sie sind die einzige wirtschaftliche Möglichkeit, denn die einzige Alternative wäre das manuelle Überprüfen und Freischalten aller Uploads...

Die Neuigkeit ist also nicht, dass „Upload-Filter“ eingesetzt werden, sondern dass sie für alle mehr oder weniger kommerziellen Anbieter unausweichlich werden.

Allerdings sollte man auch beachten, dass sowohl bei (b) als auch bei (c) der Anbieter nicht selbst tätig werden muss - in beiden Fällen müssen die Rechteinhaber an den Anbieter herantreten und ihm Daten zu Verfügung stellen, die dann in den Filter eingespeist werden können.

(a) ist der Punkt, der von Herrn Solmecke am Kritischsten gesehen wird. Was soll es heißen, dass der Anbieter nachweisen soll, dass er es „bestmöglich versucht“ hat, eine Lizenz zu erwerben?

Vorstellbar ist, auch hier wieder „Upload-Filter“ zu verwenden, die alle Videos/Bilder/Texte, die Bestandteile haben, für deren Verwendung der Anbieter noch keine Lizenz besitzt, vorerst zurückhalten, und der Anbieter dann versucht - auf welche Weise auch immer - mit den entsprechenden Rechteinhabern Lizenzen abzuschließen. Kommt eine Lizenz zustande, würde das Werk dann von der Plattform veröffentlicht.

Hier ist allerdings sehr unsicher, was ein Anbieter genau tun muss, um (a) zu erfüllen. Die Rechtsunsicherheit dürfte für kleine Plattformen zu groß sein.

Paragraph 13.4a führt den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bei der Bewertung von Paragraph 13.4 ein:


In determining whether the service has complied with its obligations under paragraph 4 and in the light of the principle of proportionality the following should, among others be taken into account:
(a) the type, the audience and the size of services and the type of works or other subject matter uploaded by the users;
(b) the availability of suitable and effective means and their cost for service providers.

– EU, vorgeschlagene Reform

Dies müsste allerdings in der nationalen Gesetzgebung deutlich präzisiert werden, um für Anbieter hilfreich zu sein - in der vorliegenden Form würde es nur vor Gericht relevant.

Paragraph 13.4aa versucht kleine Plattformen von der Pflicht, Paragraph 13.4 vollständig erfüllen zu müssen, auszunehmen, scheitert aber:


Member States shall provide that when new online content sharing service providers whose services have been available to the public in the Union for less than three years and which have an annual turnover below EUR 10 million within the meaning of the Commission Recommendation 2003/361/EC, the conditions applicable to them under the liability regime set out in paragraph 4 are limited to the compliance with the point (a) of paragraph 4 and to acting expeditiously, upon receiving a sufficiently substantiated notice, to remove the notified works and subject matters from its website or to disable access to them. Where the average number of monthly unique visitors of these service providers exceeds 5 million, calculated on the basis of the last calendar year, they shall also demonstrate that they have made best efforts to prevent further uploads of the notified works and other subject matter for which the rightholders have provided relevant and necessary information

– EU, vorgeschlagene Reform

Es werden drei Bedingungen genannt, die alle gleichzeitig erfüllt sein müssen, damit der Anbieter nur (a) aus Paragraph 13.4 erfüllen muss:

  • Die Plattform muss seit weniger als drei Jahren existieren
  • Der Umsatz muss unter 10 Millionen Euro liegen
  • Die durchschnittliche monatliche Nutzerzahl muss unter 5 Millionen liegen.

Erstes Problem: Existieren kleine Projekte wie die von Herr Solmecke als Beispiel genannte Bilderplattform seit mehr als drei Jahren, hilft diese Ausnahme nicht weiter. Die Einschränkung „drei Jahre“ müsste also ersatzlos gestrichen werden, damit dieser Absatz den Zweck, kleine Plattformen zu schützen, erfüllen kann.

Zweites Problem: Zwar müssten kleine Plattformen, die erst seit zwei Jahren existieren, nicht (b) und (c) aus Paragraph 13.4 erfüllen und somit keine solchen Filter verwenden - aber es bliebe die schwierige Anforderung aus 13.4. (a), bei Urheberrechtsverstößen auf der Plattform nachweisen zu müssen, dass man sich „bestmöglich bemüht“ hat, einen Lizenzvertrag mit dem Rechteinhaber abzuschließen. Wie schon oben geschrieben wäre dies wohl auch nur über Upload-Filter machbar, wodurch dieser gesamte Absatz eigentlich keine Verbesserung für kleine Plattformen ist.

Weitere Paragraphen und Schlussbemerkungen

Positiv zu erwähnen sind dann noch Paragraph 13.5 (Ausnahmen für Zitate, Kritik, Satire etc sollen vorhanden sein) und Paragraph 13.8 (Plattformen sollen Beschwerdemöglichkeiten für Nutzer einrichten, deren Uploads gefilter wurden, Staaten sollen Schlichtungsstellen einrichten).

Am Ende findet man mit 13.9 dann noch einen Paragraphen, in dem festgelegt wird, dass die Anwendung von Paragraph 13.4 beobachtet werden soll - den Verfassern ist offensichtlich bewusst, dass dieser Paragraph in der Praxis kritisch ist.

Meiner Meinung nach müssten aus diesem Entwurf zwei Dinge gestrichen werden:

  1. Paragraph 13.4 (a)
  2. In Paragraph 13.4aa die Anforderung, dass die Plattform jünger als drei Jahre sein muss

Dies wäre allerdings wohl nur ein „Quickfix“. Eine bessere Möglichkeit führt Herr Solmecke in folgendem Video aus:

Mein Gegenvorschlag zu Artikel 13 - So würde es funktionieren!

Zum Schluss auch noch der kurze Hinweis, dass derzeit auch eine „EU-Verordnung zur Verhinderung der Verbreitung terroristischer Online-Inhalte“ verhandelt wird, in der es unter anderem ebenfalls um Upload-Filter geht, aber auch um die Möglichkeit für Regierungen, Anbieter mit einer schlichten „Take down notice“ dazu zwingen zu können, „terroristische Inhalte“ zu entfernen (dass der Begriff „Terrorismus“ in den Jahren seit 2001 insbesondere auch von europäischen Regierungen sehr überstrapaziert wurde, ist ja bekannt): https://digitalcourage.de/blog/2019/uploadfilter-artikel13-und-terreg

Was ist geplant?[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einige Rollenspiel-Webseiten-Betreiber planen ihre Webseiten am 23.03. als Protest gegen Artikel 13 den ganzen Tag über zu schließen, und Nutzern der Webseiten an diesem Tag nur einen einheitlichen Hinweis auf den Hintergrund des Protests anzuzeigen.

Es steht die Frage im Raum, ob das Wiki Aventurica sich an dieser Maßnahme beteiligen soll. Dieses Projekt ist zwar nicht direkt betroffen, aber ich halte die Reform in der vorliegenden Form für unausgegoren und schädlich, weswegen ich vorschlagen möchte, dass wir uns am Protest beteiligen. Möglicherweise kann ich die Downtime sogar für ein Update des Wikis verwenden.

Weitere Proteste anderer Gruppierungen sind übrigens ebenfalls für den 23.03. geplant.

Ich bitte die Moderatoren dieses Projekts daher, mit einer einfachen Unterschrift in folgender Liste ihre Zustimmung oder Ablehnung zu bekunden. Diskussionen können wie immer auf der zugehörigen Diskussionsseite geführt werden.

Dafür
Dagegen
Enthaltung
Update 15.03.2019
Der Protesttag wurde wegen dem Gratis-Rollenspieltag am 23. sowie des Wikipedia-Blackouts am 21. auf den 21.03. verschoben.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]